Die Neoliberalisierung der Linken am Beispiel Antifa – Thomas Oysmüller
Unser nächster Bericht vom Seminar „Antifa als Instrument der Herrschenden?“ der Antiimperialistischen Koordination umfasst den Vortrag des Sozialwissenschafters und freien Journalisten Thomas Oysmüller, der darin eine marxistische Kritik an der zeitgenössischen Linken versucht und darlegt, wie die moderne Linke den Neoliberalismus aktiv (unter)stützt.
Die Wurzeln der Antifa findet man in den 60erjahren, und teilweise sogar noch davor. Die Leerstelle, die die Linke nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hinterlassen hat, wird heute von einem akademischen Mittelstand ausgefüllt, der den von einer unabhängigen Arbeiterbewegung begründeten Begriff „Die Linke“ heute für sich beansprucht. Auch die Antifa wird von diesem Milieu gebildet, welches relativ unabhängig von sozialökonomischem Druck existiert.
Schon 1992 stellte Francis Fukuyama in seinem berühmten Buch Das Ende der Geschichte fest, dass sich die akademische Linke vom Klassenkampf ab-, und dem Kampf gegen Rassismus und Sexismus zugewandt hat. Fukuyama war aber auch damals schon klar, dass dieser Klassenkampf irgendwann zurückkommen würde.
Oysmüller’s These ist nun, dass diese Abkehr der Linken vom Klassenkampf den Neoliberalismus nicht bedroht, sondern im Gegenteil gestützt und ihm geholfen hat, sich zu erneuern. Die zeitgenössische Linke hat in den letzten 3 Jahrzehnten eine trinitarische Formel (Gender, race, class) entwickelt, in der sie das Klassenverhältnis mystifiziert und – wie Marx meinen würde – damit eine auf den Kopf gestellte Welt konstruiert, in der die Linke dem Kapitalismus als eigener Ideologieproduzent dient. Die Gleichsetzung von Geschlecht, Rasse und Klasse hat schwerwiegende Folgen und mystifiziert das Kapitalverhältnis auf eine dramatische Weise, wie Oysmüller im Folgenden ausführt. Während der Klassenkampf den Kapitalismus überwinden möchte, ändert der Kampf um Gleichberechtigung von Kassen und Geschlechtern nichts an etwaigen Arbeitsverhältnissen oder Profitraten – im Gegenteil: beide Kategorien sind vereinbar mit/in der Ideologie des Kapitalismus. Zur Rechtfertigung dieser neuen trinitarischen Formel werden häufig klassische Werke hergenommen und neu, aber völlig falsch interpretiert, wie Oysmüller aufzeigt. Indem man künstlich generierte Bruchlinien (Rasse, Geschlecht) innerhalb der Klassen mutwillig öffnet, zerstört man die notwendige Solidarität, die es benötigen würde, um sich gemeinsam gegen den Neoliberalismus wehren zu können. Die Konzentration der Linken auf Moral und Identitätsmerkmale stützt die Marginalisierung und Individualisierung des Menschen – und somit auch den Kapitalismus.
In der Selbstdefinition vieler antifaschistischer Gruppen kommen die Worte Klasse oder Kapitalismus bezeichnenderweise gar nicht mehr vor. In der Zeit der Coronakrise wollte die selbsternannte, zeitgenössische Antifa jeden, der sich staatlichen Anweisungen (!) widersetzt, verfolgen und bestrafen. Dass die Lockdowns die sozialen Probleme massiv verstärkt haben, wurde nicht kritisiert. Daran, dass die moderne Antifa die Ausweitung staatlicher Autorität unterstützt und kein Problem damit hat, dass Freiheits- und Bürgerrechte abgeschafft werden, sieht man schon, wie weit sich diese Bewegungen von ihren Wurzeln entfernt hat.
Credits
Image | Title | Autor | License |
---|---|---|---|
IP – Antifa Vortrag Thomas Oysmüller-YOUTUBE-IPHP | Wolfgang Müller | CC BY SA 4.0 |