Die künftige US-Außenpolitik unter Donald Trump
Veranstaltungsdaten
- Datum
- 11. 1. 2017
- Veranstalter
- Diplomatische Akademie Wien
- Ort
- Festsaal der diplomatischen Akademie, Favoritenstraße 15a
- Veranstaltungsart
- Podiumsdiskussion
- Teilnehmer
- Jan Techau, Direktor des Richard C. Holbrooke Forum, Berlin
- Hans Peter Manz, Österreichischer Botschafter in Washington 2011-2015
- Jan Surotchak, Europe Regional Director, International Republican Institute (IRI), Washington
- Helene von Damm, ehem. Assistentin von Präsident Reagan; Botschafterin der Vereinigten Staaten in Österreich 1983-1986
- Hanno Settele, Moderator, ORF-Korrespondent in Washington 2003-2012
Am heutigen Abend bittet die diplomatische Akademie zu einem hochaktuellen Thema in ihre Hallen: Was ist vom neuen US-Präsidenten Donald Trump und dessen Außenpolitik zu erwarten? Welche Traditionen wird er fortführen, wo wird er neue Ansätze liefern? Wird es so chaotisch werden, wie manche seiner Wortmeldungen erwarten lassen?
In seiner Key Note stellt Jan Techau vom Carnegie Institut die American Academy vor: Sie wurde vor zwanzig Jahren von Richard Holbrooke in Berlin gegründet und dient dem kulturellen und wissenschaftlichen Austausch zwischen Deutschland und den USA. Sie bietet amerikanischen Autoren und Forschern die Möglichkeit, ein Semester in Europa zu verbringen.
Die Person Trump
Im Fokus des neuen Präsidenten wird laut Techau die Innenpolitik stehen: Dafür wurde er gewählt. Seine Business-Erfahrung wird von vielen Amerikanern geschätzt. In der Außenpolitik ist Trump formbar, wie man an diversen Meinungsänderungen (letztens zur Siedlungspolitik Israels) sehen kann.
Das Hearing des langjährigen Exxon-Vorstandschefs und designierten Außenministers Rex Tillerson sei nicht sehr ermutigend verlaufen. Der neue Geheimdienstchef Dan Coats sei hingegen als ruhig und konservativ bekannt.
Offensichtlich ist, dass Trump kein Fan der Diplomatie ist. Er arbeitet lieber mit Twitter und richtet sich auf diesem Weg direkt an seine Fans.
Trumps Vorstellung vom Policymaking kommt vom Business-Deal: Es geht um Geschäfte auf Gegenseitigkeit. Seine Grundausrichtung ist, bilaterale Konstruktionen abzuschließen. Multilaterale Verträge wie TTIP, TPP oder das Klimaschutzabkommen sind ihm zu komplex. Der Vorteil dabei: In fast allen Verhandlungen sind die USA automatisch der stärkere Partner.
China sei der große Feind des amerikanischen Arbeiters („death by china“). Die Rivalität mit China sieht Trump rein ökonomisch, nicht geopolitisch. Allerdings greife seine Analyse zu kurz: Die größte Gefahr sei die Automatisierung, nicht der chinesische Billiglohn.
China ist mit seinen riesigen Einkäufen amerikanischer Staatsanleihen eher als Stabilisator zu sehen. Dadurch, dass dem Reich der Mitte 2017 ein Führungswechsel bevorsteht und das Land wirtschaftlich momentan etwas geschwächt ist, reagiere Peking sehr nervös auf die Aussagen aus Washington.
In Russland hat Trump zwar keine direkten Geschäftsinteressen, allerdings verbindet ihn nicht nur familiär einiges mit dem größten Land der Welt. Die USA könnte gegen die Interessen Europas (laut Techau) mit Russland kooperieren, immerhin wäre Putin ein geeigneter Partner in einer Auseinandersetzung mit China.
TPP wurde bereits – sehr zum Jubel der Chinesen – ausgesetzt. Der nordamerikanische Handelsvertrag NAFTA soll auch neu verhandelt werden. Auch der Iran-Atomdeal soll aufgelöst werden, da er in den Augen der neuen Administration schlecht für die USA und für Israel ist.
Trump will die Wirtschaft über ein Investitionsprogramm stimulieren und mit den steuerlichen Mehreinnahmen die Schulden verringern. Sollte dieses Programm erfolgreich sein, so wird der Dollar steigen, wodurch Exporte teurer werden. Techau bezweifelt, dass dies der richtige Weg ist, um Arbeitsplätze in den USA zu schaffen. Auch die angedachten Steuersenkungen für wohlhabende Amerikaner werden kritisch gesehen:
Bedeutung für Europa
Dadurch, dass die USA seit dem Zweiten Weltkrieg die dominierende Macht in Westeuropa war, wurden seitdem alle innereuropäischen Konflikte auf Pause gestellt. Mit dem Beginn des Abzugs amerikanischer Soldaten nach dem Ende des Kalten Krieges setzten die USA schon lange vor Trump darauf, dass Europa seine Konflikte überwunden hat. Die Krise 2008 und die folgenden Nationalisierungstendenzen in vielen Ländern lassen aber daran zweifeln.
Dadurch, dass der Artikel 5 nicht mehr bedingungslos garantiert wird, sollte sich Europa geopolitisch öffnen und nach innen eine Neuordnung anstreben – oder, wie es der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer ausdrückt: Europa müsse machtpolitisch erwachsen werden. China und Russland sind an einer Öffnung naturgemäß sehr interessiert: erstere sind in Osteuropa bereits sehr stark involviert. Die steigende Abhängigkeit der Osteuropäer von chinesischem Geld dürfte in Zukunft zu einer weiteren Verringerung der Handlungsfähigkeit der Europäischen Union führen.
Die Lehre für Europa müsste nach Ex-Botschafter Lanz mehr europäische Integration sein, was dem aktuellen Trend allerdings entgegenläuft. Es müsste endlich das Mehrheitsprinzip im Europäischen Rat eingeführt werden. International seien kleine Länder auf Multilateralismus angewiesen, ihre einzelnen Stimmen haben zu wenig Gewicht. Selbst Großbritannien und Deutschland haben keinen Einfluss auf das Weiße Haus, man kann nur gemeinsam etwas bewegen.
Wenn man Engagement im Lösen globaler oder lokaler Konflikte zeigt, ist Washington gesprächsbereit. Wenn man sich, wie Österreich am Golan, aus der Verantwortung flüchtet, gehen die Türen zu. Man muss sich die Frage stellen, was uns dieses Engagement wert ist.
Pazifik statt Europa
Multilaterale Diplomatie sei nichts für schwache Nerven, so Hans Peter Manz. Trump sei Unilateralist und wenig konsensfähig. In Bezug auf die NATO seien in Trumps Team hohe Militärs, die Veränderungen innerhalb der Organisation nicht so einfach passieren lassen werden.
Das Hauptinteresse der USA habe sich, so Manz, sicherheitspolitisch und ökonomisch Richtung Pazifik verlegt, dort seien die Märkte und die Herausforderungen der Zukunft zu finden. In Europa seien die meisten Probleme bereits gelöst worden: Die Sowjetunion wurde ökonomisch besiegt, viele osteuropäische Staaten sind der EU beigetreten. Auch das innereuropäische Problem, das zu zwei Weltkriegen geführt hat, sei nach Meinung der Amerikaner gelöst.
Die Idee, von den Europäern Geld für ihren Schutz zu erhalten, haben schon Clinton und Obama vertreten, z.B. 2012 beim Chicagoer Treffen.
Die langen Wellen der Außenpolitik der USA sieht Manz weiterhin als unverändert an: Sowohl der Freihandel als auch das Ziel, die Demokratie auf der Welt zu verbreiten, seien langfristig weiterhin auf der Tagesordnung.
Jan Surotchak beschreibt die Meilensteine der letzten 20 Jahre, die Amerika dorthin brachten, wo es heute steht: Francis Fukuyamas Ankündigung, das Ende der Geschichte sei mit dem Niedergang der Sowjetunion und der Dominanz der einzig verbliebenen Supermacht USA erreicht, habe sich nicht erfüllt. Darauf seien die Amerikaner nicht vorbereitet gewesen.
Auch wurden rote Linien definiert, die dann nicht eingehalten wurden (z.B. der Einsatz chemischer Waffen in Syrien). Aus diesem Grund wird die Außenpolitik in den Köpfen vieler Amerikaner als unwichtig definiert, oder man wünscht sich zumindest Veränderung in der Strategie. Im Übrigen sei die Innenpolitik in jedem amerikanischen Wahlkampf immer im Zentrum gestanden.
Keiner weiß genau, was Trump vor hat. Welchem der langfristigen Trends amerikanischer Außenpolitik, die nach ehemaligen Präsidenten benannt sind, wird er sich zuwenden? Laut Surotchak dem jacksonischen: Das Militär muss groß genug sein, um die Gegner Amerikas zu besiegen oder zumindest weitgehend einzuschüchtern. Den hamiltonischen (Freihandel) sowie den wilsonischen Ansatz (Befriedung der Welt durch Ausbreitung der Demokratie) wird man bei ihm vergeblich suchen.
Laut Surotchak war der Tweet zu Taiwan definitiv geplant: Was die sich anbahnende Auseinandersetzung mit China betrifft, steht die Arbeiterklasse in den USA auf Seiten Trumps. Allerdings – so Techau in einem Einwurf – dürften die Auswirkungen nicht bedacht worden sein. Die Domestic Audience (in diesem Fall die Arbeiterklasse) sei nicht trennbar vom Ausland. Die Hoffnungen von Taiwan auf eine engere und klarere Bindung zu den USA werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erfüllen.
Wie sich das Verhältnis zu Russland entwickelt, bleibt abzuwarten. Techau geht davon aus, dass Putin irgendwann eine Art Test in welcher Form auch immer (Eskalation in der Ukraine o.ä.) durchführen wird, um die neuen Grenzen der Handlungsmöglichkeiten auszuloten. Putin wird sich jedenfalls auf kein Erpressungsmaterial – falls dies überhaupt exisiert – verlassen, dazu denkt er zu strategisch.
Eine abschließende Frage betrifft Melania Trump: Jan Surotchak hat zu ihr noch keine Meinung. Bisher sei aber noch jede First Lady mit ihrer Rolle gewachsen. Er rät, dass man mehr auf Trumps Tochter Ivanka und deren Ehemann schauen solle: Hier sieht er großes Potenzial.
Zusammenfassend lässt sich über die zukünftige Ausrichtung der amerikanischen Außenpolitik nicht viel mehr als mutmaßen. Sicherheit über das Programm wird man erst erfahren, wenn den teilweise höchst unterschiedlichen Wortmeldungen Taten folgen.
Credits
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Donald Trump | Gage Skidmore/Wikipedia | CC BY-SA 3.0 | |
Panel | Christian Janisch | CC BY-SA 4.0 |