Die Kräfte in unserem Inneren

Die Kräfte in uns
Meinung

In den letzten Wochen hatte ich mit so vielen verschiedenen starken Emotionen zu tun: Frust, Schuld, Angst, Wut, Traurigkeit, Ekel, Mitleid, Empörung, Scham, Liebe, Gewissensbisse, Panik, Trauer, Ärger, Ablehnung, Dankbarkeit, Verachtung, Optimismus und Glück. Einige dieser Gefühle kamen und verschwanden wieder, andere blieben, und manchmal überlappten sie sich, was großes emotionales Unwohlsein verursachte. Meine größte Frage – und Sorge – bei all dem war: Wie konnte ich so damit umgehen, dass ich weiterhin ehrlich zu mir selbst sein konnte und nicht zu einer unangenehmen Gesellschaft für andere wurde?

Mit der Hilfe eines sehr lieben Menschen wurde mir dann klar, dass wir uns selten die Zeit nehmen, auf die Eindrücke zu achten, die diese Gefühle in unseren Körper bringen. Wir haben eine negative Einstellung gegenüber „schlechten“ Gefühlen, von denen ich einige im ersten Absatz aufgezählt habe, und sind darauf trainiert, sie abzuwehren und zu unterdrücken.

Doch was wäre, wenn wir diese Gefühle annehmen würden, anstatt Energie in ihre Abwehr zu investieren? Wenn wir uns klarmachen würden, dass sie uns zu dem machen, was wir sind? Doch wie können wir sie wahrhaftig annehmen und nicht nur theoretisch? Indem wir sie zulassen, so wie wir auch Glück, Liebe und Freude zulassen.

Wenn du dich also beispielsweise wütend, traurig, frustriert oder verängstigt fühlst, dann sage dir nicht: „Ich darf jetzt nicht traurig sein“, oder: „Niemand sollte sehen, dass ich Angst habe.“ Und dann suche nach verschiedenen Wegen, um dies in dein Unterbewusstsein zu bringen. Das ist jedoch keine wirkliche Lösung, sondern nur eine Art Flicken, der in diesem Moment hilfreich ist. Du kannst aber dir selbst auch einfach erlauben, ängstlich, wütend oder traurig zu sein, und diese Gefühle in dich hineinlassen.

Hör auf damit, Sperren aufzubauen! Sobald du nämlich all deine Gefühle in dich hineinlässt und dich auf sie konzentrierst, dann werden sie da sein und zunächst eine hohe Intensität entwickeln, danach aber verschwinden. Oder zumindest werden sie nicht mehr länger mit dem Gedanken, der sie begleitete, verbunden sein.

Diese Übung dauert nicht länger als drei Minuten. Und was ist das Gefühl, das darauf folgt? Befreiung! Du wirst beginnen, die wahre Bedeutung von „Freiheit“ zu verstehen, denn du wirst keine Angst mehr davor haben, beispielsweise traurig zu sein.

Ich erinnere mich daran, dass meine Freundin mir sagte, ich solle versuchen, jeden Morgen all die Gefühle, vor denen ich normalerweise davonlaufen würde, laut auszusprechen.

Spinnt die?“, war mein erster Gedanke. „Warum soll ich das machen? Warum sollte ich riskieren, mir damit meinen ganzen Tag zu verderben?“ Aber warum hatte ich diese Reaktion, warum stellte ich mir diese Frage? Weil Angst geweckt wurde. Angst, dass ich nicht in der Lage sein würde, diese Gefühle zuzulassen, so dass sie aus mir herausfließen konnten, und dass sie stattdessen den ganzen Tag hindurch (wenn nicht sogar länger) an mir kleben bleiben und mir Schwierigkeiten machen würden.

Doch dann machte ich diese Übung und arbeitete an der Angst, dass ich vielleicht nicht in der Lage sein würde, sie zu einem Ende zu bringen. Ich atmete ein und sagte: „Angst, ich lasse dich zu!“ Und als die Angst sich aufbaute in ihrer natürlichsten und schönsten Form, dachte ich mir: „Es ist eigentlich gar nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte.“ So schwand also die Angst, die von dem Gedanken, diese Übung nun jeden Morgen zu versuchen, verursacht worden war. Und am nächsten Morgen begann ich meinen Tag damit, all das zu spüren, was in mir war und was ich so lange zu ignorieren versucht hatte. Es war ziemlich heftig, das will ich nicht bestreiten – aber das Ergebnis war aufregend! Ich hatte schließlich einen richtig guten Tag, so wie schon lange nicht mehr.

Aber natürlich tauchen Gefühle oftmals nicht einfach so aus dem Nichts auf. Wie ich schon erwähnt habe, verbinden sie sich mit unseren Gedanken. Und in vielen Fällen sind es Gedanken, die die negativen Gefühle überhaupt erst verursachen. Wenn du die Macht hast, deine negativen Gedanken zu kontrollieren und sie in positive Gedanken umzuwandeln, dann ist das einfach großartig!

Aber was machst du, wenn du zu viele Gedanken hast und sie sich miteinander vermischen? Wenn du merkst, dass du die Kontrolle über sie verlierst und sie schließlich über dich bestimmen? Dann erhebst du dich über sie. Du versuchst nicht, sie zu stoppen; denn je mehr du das ohne Erfolg probierst, umso höher wird deine Frustration sein, und du wirst dich schließlich verloren fühlen.

Stell dir vor, du sitzt in einem Flugzeug und schaust aus dem Fenster hinunter auf die Wolkendecke unter dir. Diese Wolken sind deine Gedanken.

Ich weiß, das hört sich kompliziert an, aber du musst deinen Verstand verlassen und zu einem Zuschauer werden. Ein Zuschauer nimmt an der Show nicht teil; er ist nur da, um sie zu beobachten und zu genießen. Genau das musst du spüren. Du kannst darauf achten, wie Gedanken kommen und wieder verschwinden und welche Gefühle sie in dir hervorrufen. Sobald du ein Gefühl erkennst, lasse es zu. Mache diese Übung! Und wenn du damit fertig bist, bringe diesen Gedanken zurück. Dieses Mal sollte er leer sein, ohne irgendeinen Ballast. Es sollte ein unschuldiger Gedanke sein, der einfach nur da ist. Völlig harmlos.

Werde dir der schönen Kräfte, die wir haben, bewusst! Es wäre schade, wenn wir sie nicht nutzen, um glücklicher zu werden.

Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake

Credits

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Die Kräfte in uns Die Kräfte in uns Leandro Neumann Ciuffo CC BY 2.0