Die Inflation schlagen (BSA)
In der BSA-Online-Diskussionsrunde „Die Inflation schlagen“ setzen sich Alexander Kriwoluzky, Ökonom und Professor für Makroökonomie, Oliver Picek, Ökonom und Senior Economist beim Momentum Institut sowie Joachim Ragnitz, Ökonom und stellvertretender Geschäftsführer des ifo Instituts Dresden mit dem Thema Teuerung auseinander und versuchen Wege aufzuzeigen, wie diese agil, konkret und effektiv bekämpft werden kann.
Im Hinblick auf mögliche Strategien für Wirtschaft und Politik zur Eindämmung der Inflation war für Alexander Kriwoluzky in der Vergangenheit die Europäische Zentralbank (EZB) gefordert. Sie hat die Macht, die Preise stabil zu halten und ist nicht abwählbar. Die einfachste Antwort der EZB ist eine Erhöhung der Zinsen. Dadurch wird die Nachfrage gesenkt, da Kredite teurer werden, und die Preise fallen. Ökonomen sehen aber, dass es heute nicht so einfach ist, denn die Hauptursache der Inflation ist der Preisanstieg bei fossilen Energieträgern. Zudem gibt es in einer heterogenen Euro-Zone zwar eine Geldpolitik, aber 19 Mitgliedsländer mit unterschiedlicher Betroffenheit und unterschiedlichem fiskalischem Spielraum. Wenn nun die Zinsbelastung hochverschuldeter Länder steigt, verlieren deren Anleihen an Wert und dann kommen die Banken dieser Länder unter Druck: es besteht die Gefahr einer neuerlichen Finanzkrise.
Auch Joachim Ragnitz sieht diesmal wenig Spielraum für die EZB. Ein Kaufkraftentzug ist ohnehin schon vorhanden: es besteht die Gefahr einer Rezession im gesamten europäischen Raum, wenn die Zinsen steigen. Zusätzlich sind eine Reihe von Unternehmen – wie im Bau, in der Landwirtschaft und im Handel – dazu übergegangen, Preise stärker anzuheben, als allein aufgrund der Kostensteigerung gerechtfertigt wäre. Die Lasten staatlicher Wirtschaftspolitik müssen entweder von den Reichen (durch Umverteilung) oder von zukünftigen Generationen (durch Staatsverschuldung) getragen werden. Deutschland habe sich für zweiteren Weg entschieden. Eine Erhöhung der Löhne wäre möglich, bedeutet aber die Gefahr einer zusätzlichen Kostenbelastung; auch könnte man Unternehmen zum Beispiel durch Abschöpfen bzw. Verbieten von Unternehmensgewinnen regulieren. Realistisch gesehen besteht für ihn aber nur die Möglichkeit der Konzentration auf eine Verteilungswirkung.
Oliver Picek hält auch eine Konzentration auf die Verteilungswirkung für wesentlich, da die Inflationswirkung bei Geringverdienern höher ist. Zusätzlich sind in diesen Haushalten auch kaum finanzielle Reserven da. Österreich hat bislang auf einkommensstützende Maßnahmen gesetzt und kaum auf Preisregulierung. Das Problem ist, dass bei der Unterstützung nicht differenziert wird und Einmalzahlungen mit der Gießkanne durchgeführt wurden. Frankreich und Spanien haben durch Eingriffe in die Preise rund 3-4 % weniger Inflation. Eine mögliche „Zinskeule“ der EZB unterstützt „Putins Spiel“ und produziert á la longue Arbeitslosigkeit. Eine Eskaltion des „Wirtschaftskriegs“ zwischen Russland und der EU könnte zu einer unerwünschten politischen Instabilität in Europa führen.
Auch für den Ökonomen Kriwoluzky gilt es, die Zinskeule der EZB mit Bedacht einzusetzen. allfällige weitere Maßnahmen können nur kurz- bzw. mittelfristig nutzen. Aktuell sieht er keinen Spielraum für langfristige Unterstützungspakete. Joachim Ragnitz stimmt dem zu und hofft, dass die Prognosen, dass die Inflation heuer auf 7% zurückgeht, halten werden,damit die „Inflationserwartungen“, die auf Löhne und dann wieder auf Preise durchschlagen nicht ganz so hoch sind. Die Kaufkraft wird aus seiner Sicht dann aber trotzdem nicht steigen, weil die Preise weiter hoch bleiben werden. Oliver Picek betont, dass die Gewerkschaften aktuell den Verlust für die Arbeitnehmer akzeptiert haben mit der Perspektive, dass im kommenden Jahr Lohnerhöhungen in Höhe der dann bestehenden Inflation erfolgen. Ihm fehlt eine makroökonomische Strategie unter Einbeziehung aller Beteiligten. Steuererhöhungen für Besserverdienende und mehr Geld für Wenigverdiener sind für ihn ein probates Mittel, es braucht aber auch ein Entgegenkommen bei preisdämpfenden Maßnahmen bei Miete, Gas und Lebensmitteln sowie öffentlichem Verkehr. Für Joachim Ragnitz stellt – wegen des Problems der Treffsicherheit bei Unterstützungsmaßnahmen – eine stärkere Besteuerung der hohen Einkommen ein probates Mittel zum indirekten sozialen Ausgleich dar. Alexander Kriwoluzky plädiert dafür, dass die EZB eingreift und die Staaten sich auf die Umverteilung konzentrieren, aber nicht mit zum Teil unwirksamen bzw. nicht treffsicheren Maßnahmen herumdoktern. Alle, die unterhalb des Medianeinkommens liegen, sollten dadurch unterstützt werden.
Abschließend werden noch Fragen aus dem Publikum beantwortet.
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