Der Weisheit letzter Schluss – The good, the bad and the silent
Ein kommentierender Wochenrückblick – KW 14 und 15/23
Wie habe ich sie geliebt die Italo-Western wie „Spiel mir das Lied vom Tod“, die französischen Politthriller wie „Z“ und die amerikanischen Polizei-Thriller wie French Connection. Gerade deshalb, weil klar war, wer die Guten und wer die Bösen sind; und wenn sich einmal ein Guter mit den Bösen verbunden hat, dann hatte er zwar seine Gründe, war aber so was von unten durch. Klar war natürlich auch, auf welcher Seite ich mich beheimatet sah. Und dass der Kampf gegen die Bösen und das Böse sowohl einen langen Atem erforderte, als auch mit allen Mitteln geführt werden durfte, ja musste.
Im Lauf meines Lebens hat sich diese Schwarz-Weiß-Malerei nicht aufrecht erhalten lassen. Sah ich mich zwar immer auf der Seite der Guten, so musste ich aber auch immer wieder mal feststellen, dass ich mit dem, was ich als „gut“ bezeichnete, nicht immer richtig lag. Und dass ich sogar manche Entscheidung, die zwar gut gemeint, aber keineswegs gut gelungen war, im Nachhinein zu rechtfertigen suchte, um sie doch in ein gutes Licht zu rücken.
Leben ist eben nicht eindimensional, es ist äußerst komplex. Aber es muss nicht kompliziert sein. Dazu später mehr.
In den letzten beiden Wochen, die ich diesmal in den Blick nehmen möchte, hat sich mir auch die eine oder andere schwarz-weiße Sichtweise auf die Wirklichkeit offenbart. Es ist ja durchaus menschlich, die Welt in Schubladen einzuteilen – man nennt das auch Vorurteile; problematisch scheint mir, wenn ich bei diesem ersten Urteil bleibe ohne mir ein genaues Bild gemacht zu haben.
Durch ein Foto von einem völlig abgemagerten und heruntergekommenen Julian Assange, das mir eine Kollegin zukommen ließ – und das sich im Nachhinein als „KI-Produktion“, sprich „Fake“ herausgestellt hat – und ihren Wunsch eine Story zum nach wie vor in britischer Haft befindlichen Investigativjournalisten zu machen, habe ich mich einmal mehr mit ihm beschäftigt.
Da fiel mir die Doku „Ithaka“ zu, die auf der Videoplattform Odysee in zwei Teilen (Teil 1 und Teil 2) angeschaut werden kann. Gezeigt werden die letzten Tage von Assange in der Botschaft Ecuadors, seine Inhaftierung durch die britische Justiz und sein „Auslieferungsprozess“. Es ist eine bewegende und berührende Story, durchaus in schwarz-weiß gemalt, die aber dennoch eine tiefe Wahrheit produziert. Hier sitzt jemand im Gefängnis, der mutmaßliche Staats-Verbrechen aufgedeckt hat, während die Verantwortlichen für diese Taten immer noch die Freiheit haben, weitere solcher Taten zu begehen und sich auf der Seite der Guten zu wähnen.
Berührend die Worte von Julians Vater, wenn er sagt: „If he goes down, so will journalism.“ Und wie das aussieht, erleben wir gerade. Schon wer sich dem allgemein kolportierten Narrativ entgegenstellt, landet in einer wenig bequemen Schublade mit der Etikette „Verschwörungstheoretiker“ oder wird sogar ung’schaut in die (rechte) Ecke gestellt. Wer sich Zeit für umfassende Recherche zu einem Thema nehmen will, darf das als freier Journalist, der nach Zeichen und nicht nach Zeit bezahlt wird, gerne auf eigene Kosten tun – zusätzlich mit der Gefahr verbunden, dass die Story zu heiß ist und doch nicht gebracht wird. Und wer darüber hinaus noch investigativ wirken will, der weiß auch „dank“ der Causa Assange, was ihm blüht – und lässt es im Zweifel lieber.
Interessant ist in diesem Zusammenhang das Verwirrspiel um eine kolportierte Überprüfung des Kommunikationswissenschaftlers Michael Meyen durch den Verfassungsschutz. Er wurde von den Herausgebern der Zeitung „Demokratischer Widerstand“ eingeladen, Mitherausgeber zu werden. Das hat dazu geführt, dass dessen Dienstgeber, die LMU München, eine Überprüfung eingeleitet hat. Unklar ist aktuell noch – wie das Mulitipolar-Magazin berichtet -, ob es um eine verfassungsrechtliche Begutachtung des Mediums oder seiner Person geht. Meyen hat jedenfalls aufgrund der Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen seine Zusage wieder rückgängig gemacht. Er wäre nicht das erste Opfer eines dem allgemeinen Narrativ huldigenden Bildungssystems.
In einer vielsagenden Fallsammlung zur „Corona-Berichterstattung“ hat Timo Rieg journalistische Qualitätsmängel in der Berichterstattung zur Corona-Pandemie in den General Interest Medien zusammengestellt, die diesen kein gutes Zeugnis ausstellt. Dass er damit wohl den Nagel auf den Kopf getroffen hat, zeigt das Schweigen im Blätterwald bzw. das Verschweigen seiner Erkenntnisse in den Medien. Und das, obwohl dort ja zuletzt auch immer wieder von notwendiger Aufarbeitung die Rede war – wohl nur alibihalber, um nicht noch mehr Leser zu verlieren.
Dass die Situation im Mainstream dramatisch ist, zeigt auch die geplante 10-prozentige Personalreduktion bei der Tageszeitung KURIER oder das Angebot einer einvernehmlichen Kündigung für alle Mitarbeiter der Kleinen Zeitung. Ohne die „Corona-Millionen“, die vor allem auf die Fülle von Inseraten anlässlich der nötigen „Information“ der Bevölkerung über die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Virusinfektion zurückzuführen waren, lässt sich offenbar eine Tageszeitung nicht mehr wirtschaftlich gesund führen. Im Rahmen einer neuen Mediengesetzgebung, die auch die Medienförderung auf neue Beine stellen will, wird auch die Wiener Zeitung mit Ende Juni als Printmedium ein- und auf reine Online-Berichterstattung umgestellt.
Ob sich durch diese Maßnahmen die Qualität der Medien verbessern lässt, ist mehr als fraglich. In diesem Zusammenhang hat der Autor und Journalist Tom-Oliver Regenauer anlässlich der Gründung des RUBIKON-Nachfolgers MANOVA ein Plädoyer für die fünfte Gewalt, die wahrhaft unabhängigen und den Menschen verpflichteten Medien, verfasst. Ganz so einfach ist dieser Weg nicht, da er meist auf die ehrenamtliche Arbeit der Redakteure angewiesen ist. Als Amateure im wahrsten Sinne des Wortes, nämlich als „Liebende“, haben sie denen, die alles nur für’s Geld machen, aber durchaus etwas voraus.
Und so könnten dann auch so Aussagen wie jene des Wiener Erzbischofs zur Neutralität kritisch hinterfragt werden; oder die Antrittsrede des amtierenden US-Präsidenten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Letztere wurde in der Doku über Julian Assange dem Umgang mit dessen Erkenntnissen gegenübergestellt und der Präsident auf diese Weise bloßgestellt; ersterer wurde in der Printausgabe der Wiener Zeitung vom 4.4.23 auf Seite 2 wie folgt zitiert: „Österreichs Neutralität darf nicht missverstanden werden als moralische Neutralität. Ich bin froh, dass Österreich im Ukraine-Krieg klar Position bezogen hat und Recht und Unrecht beim Namen nennt. Ein fundamentaler Unterschied zu anderen Angriffskriegen wie jenem der USA auf den Irak ist, dass der damalige US-Präsident George Bush offen kritisiert werden konnte, während man in Russland für Kritik oder Benennung des Krieges als Überfall im Gefängnis landet.“ Nun ist es zwar nicht Bush, der Julian Assange verfolgen lässt, aber seine Nachfolger.
Die Landtagswahl in Salzburg wirft ihre Schatten voraus: in der Kronen Zeitung wurde kürzlich ein Beitrag über die FP-Spitzenkandidatin und ihre durchaus realistischen Möglichkeiten, den amtierenden Landeshauptmann zu besiegen, veröffentlicht. Kolportiert wurde in Journalistenkreisen, dass dieser Bericht in der Printausgabe nur in acht von neun Bundesländern erschienen ist: also überall, nur nicht in Salzburg. Leider konnte ich bei meinen Recherchen keine Salzburg-Ausgabe der Krone vom besagten Tag ergattern, ich möchte dieses mutmaßliche Ereignis aber nicht unveröffentlicht lassen, weil es ganz einfach denkmöglich ist; vor allem unter den Bedingungen die – wie oben angeführt – derzeit in der ums Überleben kämpfenden Medienlandschaft herrschen.
Interessant in diesem Zusammenhang auch die Antworten der Salzburger Spitzenkandidaten auf einen Fragenkatalog der Plattform RESPEKT, vor allem der Verweis der ÖVP auf eine Statistik zu Werbeausgaben, die zeigen soll, dass Salzburg am wenigsten von allen Bundesländern dafür verwendet. Die Recherche der RESPEKT-Redaktion hat dann allerdings andere Zahlen ans Tageslicht gebracht.
Einen Wahlkampf der anderen Art liefern sich auch die drei zur parteiinternen Abstimmung über den Vorsitz bzw. die bundesweite Spitzenkandidatur zugelassenen Bewerber in der SPÖ. Diese Woche hat auch die Nummer drei, der aktuelle Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler sein Programm vorgestellt und mit einer Aussage aufhorchen lassen: „Es bringt keinem Kind ein warmes Mittagessen, wenn man 27-mal die Balkanroute schließt“, soll er laut Kleiner Zeitung im ZiB2-Interview gesagt haben. Das hat in einer Diskussionrunde auf PULS 4 eine freie Journalistin veranlasst, heftig zu widersprechen. Im (a)sozialen Medienwald hat es daraufhin heftig zu rauschen begonnen und auch der STANDARD hat Expertenmeinungen zum Thema eingeholt, die Babler bestätigen. Wer mit offenen Augen mal die Anpassung der Familienbeihilfe seit ihrer Einführung angeschaut hat, der wird erkennen, dass es heute tatsächlich so ist, dass man sich Kinder leisten können muss.
Das für Ostern angekündigte und sogleich auch als „Verhöhnung“ viel kritisierte „Versöhnungsangebot“ der österreichischen Bundesregierung ist bis jetzt noch nicht erfolgt. Anfragen an Bundeskanzler und Gesundheitsminister blieben bislang unbeantwortet, es dürfte also in diesem Fall mal wieder das beliebte „Totschweigen“ bzw. „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“ angesagt sein. Oder man sieht die derzeit in Begutachtung befindlichen Gesetzesvorlagen bezüglich Impffinanzierung und „Covid19-Überführung“ als klare Absage an diesen Versöhnungsprozess. Denn darin wird das manifestiert, was zuletzt vielfach als „Wir haben es damals nicht besser gewusst“ und damit eigentlich als Fehler, wenn nicht sogar als obsolet bezeichnet wurde. Es lohnt sich, die Inhalte dieser Vorlagen zu studieren und seine Stellungnahme abzugeben. Eine bemerkenswerte Replik dazu hat die Bürgerinitiative „Unser Österreich“ verfasst.
Wer Lust und Laune hat, die wenigen Möglichkeiten zu nutzen, die unsere repräsentative Demokratie zur direkten Beteiligung hat, der hat vom 17.-24.4.23 die Möglichkeit, insgesamt sieben Volksbegehren online oder am Gemeindeamt seine Zustimmung zu geben.
Aus meiner Sicht ist es wichtig, Position zu beziehen, auch auf die Gefahr hin, dass man dann zu den Guten oder den Bösen gerechnet wird. Aber das ist ohnehin nur eine Frage der Perspektive. Schweigen jedenfalls ist keine Lösung. „Wer schweigt, stimmt zu“ ist ein alter juristischer Grundsatz, der auch im Leben seine Gültigkeit hat. Im Bewusstsein, dass es das absolut Gute und das absolut Böse wohl nur in Filmen gibt, nicht aber in unserem komplexen Dasein, lassen sich Vorurteile und dazugehörige Schubladen jedenfalls nicht aufrecht erhalten. Und es ist gar nicht so kompliziert – anders als ein österreichischer Bundeskanzler einst vermutet hat -, wenn man bereit ist, sich mit den Dingen ernsthaft auseinander zu setzen, auch im Diskurs mit Andersdenkenden. Das ist vielmehr ein wertvoller und wesentlicher Beitrag zum Erhalt und zur Verbesserung unsere Demokratie, die einzig und allein dadurch lebendig wird und bleibt, dass wir Bürger uns engagieren, an Entscheidungsprozessen aktiv beteiligen und mit unserer Meinung nicht hinter dem Berg halten.
Lieber gut oder böse als schweigsam!
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WG – 2023 KW14-YOUTUBE | Wolfgang Müller | CC BY-SA 4.0 |