Der Weisheit letzter Schluss – System(e) am Ende !?
Ein kommentierender Wochenrückblick – KW 12/23
Wer wirklich genau hingeschaut hat, wird schon vor langem erkannt haben, dass die von (einigen) Menschen gemachten aktuell gültigen Systeme und ihre Regeln an ihr (natürliches) Ende (ge)kommen (sind). Dieser Zyklus des Werdens und Vergehens ist nicht nur ein der Natur, sondern auch ein Systemen innewohnender Prozess; er wird bloß ignoriert, meist so lange bis ein Totalcrash keinen anderen Ausweg mehr zulässt. Menschen halten gerne an etwas Bestehendem und Vertrautem so lange fest, bis es nicht mehr anders geht. Das aber ist alles andere als zukunftsfähig, nicht im eigenen Leben und schon gar nicht, wenn man Verantwortung über das Persönliche hinaus für eine größere Gruppe (von der Familie über ein Unternehmen bis hin zur Bevölkerung eines Landes) übernommen hat. Weitsicht und die damit verbundene(n) Einsicht(en) tun hier mehr als Not.
Der Theologe und Philosoph Ivan Illich hat bereits vor mehr als 50 Jahren den Unsinn so manches vom Menschen erfundenen Systems, genauer gesagt der damit verbundenen Institutionalisierung vieler, wenn nicht sogar aller Lebensbereiche deutlich zu machen versucht. Er kritisierte Schule, Medizin und Kirche scharf und postulierte, dass ein Mensch, der zur Verwaltungseinheit degradiert wird, seine Eigenmächtigkeit verliert und so zu einem funktionierenden Rädchen im Getriebe gemacht und damit entmenschlicht wird.
Diese Entmenschlichung lässt sich auch heute an allen Ecken und Enden erkennen, zumindest von denen, die sich trotz aller Versuche von Institutionen, auch sie zu entmenschlichen, nicht unterkriegen haben lassen. Und auch jene, denen die Offensichtlichkeit dieser Tatsache vor allem im Lauf der letzten drei Jahre (endlich) bewusst geworden ist und die diesen Zustand nicht länger hinnehmen wollen, können zur Triebfeder einer wesentlichen Weiterentwicklung der Menschheit werden.
Werfen wir mal einen Blick auf das eine oder andere entmenschlichende System bzw. die es ausdrückenden Institutionen.
Das politische System hat mit seiner es prägenden Parteienlandschaft schon längst seinen Zenit überschritten. Die These, man könne es nur dadurch aufbrechen, dass man sich zuerst als Partei etabliert, um dann in jene gesetzgebenden Institutionen einzuziehen, die es unbedingt braucht, um es dann mit Hilfe eines dort gefassten Beschlusses abzuschaffen, kann man getrost als falsifiziert abhaken. Keiner dieser Versuche hat bislang Erfolg gebracht; jede noch so gut gemeinte Reform des Bestehenden hat eben dieses Bestehende weiter gefestigt.
Egal, wo man sich in der politischen Landschaft Österreichs umschaut, es kommt dabei am Ende immer das gleiche heraus, weil das Ergebnis im System quasi vorprogrammiert ist:
sei es bei der im Sterben liegenden Sozialdemokratie (deren Schauspiel um die Kür eines Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten nur noch als Realsatire bezeichnet werden kann), einer in Auflösung befindlichen katholisch-konservativen „Volkspartei“ (die trotz der negativen Erfahrungen wieder mit den Blauen liebäugelt), den klima-grünen (denen Mensch und Umwelt völlig egal sind) oder wirtschafts-neoliberalen (und das so wichtige Gemeinwohl nicht verstehenden) Versuchen, die Welt zu erklären oder bei denen, die den starken Führer nicht abschreiben wollen, der den Saustall endlich ausmistet (obwohl sie mit ihren Methoden schon mehrfach gescheitert sind und selten mehr als eine Legislaturperiode an der Macht überlebt haben).
In Frankreich erlebt der aktuelle Präsident, der trotz seiner enttäuschenden Performance und nur durch die Tatsache, dass er sich als Bollwerk gegen rechts positioniert hat, an der Macht geblieben ist, gerade seinen Untergang. Am Wochenende waren landesweit schon mehr als 3,5 Millionen Franzosen auf der Straße, um sich gegen seine „Verordnungsdiktatur“ zu wehren.
Auch Israel erlebt die nächste Krise seiner Demokratie: die dortige Regierung droht wegen einer die Mächtigen und vor allem den aktuellen Regierungschef schützenden Justizreform schon nach wenigen Monaten erneut zu stürzen.
Auch die vierte Gewalt, die einstmals freie Presse, hat angesichts der sie bedrohenden Unfinanzierbarkeit ihrer Aktivitäten eifrig in den stattlichen staatlichen Förder- bzw. Inseratentopf gegriffen und sich dadurch abhängig, aber auch angreifbar gemacht. Dieser Vorwurf wird standhaft zurückgewiesen; schnell wird man bei diesbezüglicher Kritik systemkonform in die Ecke gestellt. Versuche des Whitewashings – wie die Bestellung eines neuen Landesdirektors in Niederösterreich – werden á la longue ebenso scheitern wie die Augenauswischerei, Menschen auf eine Haushaltsabgabe für einen „unabhängigen“ ORF zu verpflichten, den man nicht mehr sehen oder hören kann und will. Die Mär von gegenüber der bislang geltenden GIS-Gebühr sinkenden Einnahmen und daher nötigen Einsparungsmaßnahmen am Küniglberg wird immer unglaubwürdiger, weil nun auch alle Unternehmen zahlen werden müssen. Und das krampfhafte Festhalten am Narrativ, dass das alles der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) geschuldet ist, lässt sich bei genauerer Betrachtung einfach nicht aufrechterhalten. Knapp nach dem VfGH-Urteil hat der ORF 2021 nämlich eine andere Variante der „Gleichstellung“ bekannt gegeben: Streaming werde nun kostenpflichtig, verlautete man, nur nach Einzahlung der GIS-Gebühr bekäme man hinkünftig Zugang zum Online-Angebot. Von diesem Lösungsvorschlag ist heute weit und breit nichts mehr zu hören oder zu lesen.
Der gelernte Österreicher ist ja im Gegensatz zum Franzosen eher ein Couchpotatoe, er wird eine Schwejk’sche Lösung für die Situation finden ohne großen Wirbel zu machen. So wird es viele individuelle Wege geben, aber keinen neuen Gesamtweg, der gesellschaftspolitisch betrachtet durchaus sinnvoller wäre. Aber auch viele, viele Löcher im System werden dieses früher oder später zum Einsturz und die, die diese Löcher stopfen wollen, zum Verzweifeln bringen.
Geld regiert bekanntlich die Welt – und auch das ist so ein G’schichtl, das wir uns einfach auf’s Aug’ drücken lassen. Das herrschende Geldsystem ist nämlich niemals demokratisch legitimiert worden, es wurde einfach eingeführt – wie der Geldmarktexperte Simon Sonnenberg im Rahmen seines Vortrags und eines Backstageinterviews bei der von Idealism Prevails mitveranstalteten Zukunftskonferenz 2021 eindrücklich aufzeigte und dabei auch mögliche und machbare Alternativen deutlich machte.
Im Zuge der aktuell auftretenden Bankenkrisen (diese Woche kam nach der amerikanischen SVB und der Schweizer Credite Suisse nun auch die Deutsche Bank in die Schlagzeilen) lässt sich feststellen, dass dieses Finanzsystem, das eine Ausformung des aktuellen Wirtschaftssystems ist, auf sein „schreckliches“ Ende zusteuert und dringend eines menschenwürdigen Resets bedarf. Dazu publizierte auch der Gemeinwohl-Ökonom Christian Felber dieser Tage in einem Gastkommentar in der Wiener Zeitung.
Auch im Sport spielen die Moneten mittlerweile eine – wenn nicht sogar die – tragende Rolle. Wie sonst ist es zu erklären, das Schwarzgeldzahlungen für Spieler- und Trainergehälter im Amateurfußball an der Tagesordnung sind – wie Karl Irndorfer schon 2013 in seiner Publikation „Der Ball ist rund, das Geld ist schwarz“ beschrieb. Der Profifußball hat sich zwar strengen Regeln unterworfen, die aber nicht unbedingt wirksam geworden sind, wie das jüngste Beispiel Juventus Turin zeigt. Auf den Sklavenmarkt, auf dem sich Spieler und Trainer schon seit geraumer Zeit befinden, möchte ich jetzt nicht genauer eingehen – das aktuelle Beispiel Julian Nagelsmann, der vom FC Bayern München in einer Nacht- und Nebelaktion entlassen wurde, spricht Bände. Ebenso der von Fußballmanagern und -experten verwendete Begriff „Spielermaterial“.
Und im Handball hat es einen „Großen“, nämlich das Gründungsmitglied der österreichischen Handball-Liga, Union Westwien erwischt. Mit der kommenden Saison wird der Profi-Spielbetrieb aus finanziellen Gründen eingestellt, so deren Geschäftsführer.
Kommen wir zuletzt noch zum lebenswichtigen Bereich Wohnen. Da ist diese Woche die von der österreichischen Regierung geplante Mietpreisbremse krachend gescheitert. Mieter müssen nun die volle inflationsbedingte Erhöhung auf einmal (geplant war ohnehin nur eine Aufteilung auf drei Jahre, so dass sie Löhne den Kosten nachkommen können) aus der eigenen Tasche tragen, dürfen aber bei Zahlungsschwierigkeiten um einen einmaligen Zuschuss ansuchen. Auch hier zeigt sich die dunkle Fratze des herrschenden Wirtschaftssystems, das auf dem puritanischen Grundsatz fußt, dass jeder seines Glückes Schmied ist. Wer’s also nicht schafft, ist selber schuld.
Versuche, diese hier dargestellten Dilemmata aufzulösen, müssen wohl von außerhalb dieser Systeme erfolgen. Dazu braucht es Menschen, die gelernt haben, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen, die reflexions- und kritikfähig sind. Sie sind bereit, dem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen und in der Lage, andere Sichtweisen zu respektieren, weil sie erkannt haben, dass in diesen immer auch ein Kern für eine Lösung steckt. Genau diese wunderbaren Menschen werden mit dem Blick auf die große weite Welt lokal, regional und vor allem sachbezogen – also nicht von einer bestimmten Ideologie verblendet – Lösungen finden, die von allen Beteiligten getragen werden können. Nur auf diese Weise lässt sich eine Welt mit Zukunft gestalten.
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