Der Weisheit letzter Schluss – Das Ende der Pressefreiheit?!?
Ein kommentierender Wochenrückblick KW 25/23
Waren das noch Zeiten, in denen man in vier Tageszeitungen vier verschiedene Perspektiven auf ein Thema bekam oder als im ORF Sendungen ohne Zeitbegrenzungen ausgestrahlt wurden, die eben so lange dauerten, bis alles gefragt oder alles gesagt gewesen ist. Die freien und unabhängigen Medien hätten heute keine Chance, wenn die Leitmedien ihrer Aufgabe nachkämen. Und die besteht in der Kontrolle der Politik und nicht darin, ihr zu helfen.
Aussagen wie diese fielen am von der Plattform RESPEKT und dem Aktionsradius Wien veranstalteten Abend für die Pressefreiheit anlässlich des in Kürze bevorstehenden Geburtstags von Julian Assange, der seit über zehn Jahren inhaftiert ist und seit über vier Jahren auf die Entscheidung in seinem Auslieferungsverfahren in einem Londoner Hochsicherheitsgefängnis wartet, weil er die den Mächtigen unliebsame Wahrheit gesagt hat. In den USA erwarten ihn wegen Spionage und Gefährdung von Menschenleben bis zu 175 Jahre Gefängnis, was einer Todesstrafe gleichkommt.
Einig waren sich die Diskutanten Gudula Walterskirchen, Ortwin Rosner und Florian Machl unter der Moderation von Reinhard Jesionek, dass an Assange ein Exempel statuiert wird, das den gesamten Journalismus, darüber hinaus aber auch alle Menschen bedrohen soll, da eine von der veröffentlichten Meinung im Mainstream abweichende Sichtweise in wachsendem Ausmaß zu Ächtung und Ausgrenzung führe. Die Basis für die Diskussion bildete ein Interview von Marc Friedrich mit Gabriel Shipton, dem Bruder von Julian Assange, über die aktuelle Situation des inhaftierten Wiki Leaks-Gründers und den Zustand der Presse im Allgemeinen.
Die Veranstaltung stand auch unter dem Eindruck des in der Vorwoche wegen „Beitrags zum Amtsmissbrauch und Verletzung des Datenschutzgesetzes“ angezeigten Journalisten Franz Miklautz, dessen Handy und Laptop von der Staatsanwaltschaft in Klagenfurt beschlagnahmt wurde, um herauszufinden, wer ihm die internen Infos zur mutmaßlichen Misswirtschaft rund um das Rathaus der Kärntner Landeshauptstadt zuspielte. Für 24 Stunden schienen damit auch in Österreich Pressefreiheit und Quellenschutz zur Disposition zu stehen. Letztlich habe ihn sein gutes Netzwerk mit den richtigen Leuten aus dieser misslichen Lage befreit, konstatierte man am Podium. Denn das Verfahren wurde schon am nächsten Tag nach einer sofort eingeleiteten Prüfung durch das Justizministerium wieder eingestellt und die Geräte dem Journalisten wieder ausgehändigt. Offen bleibt – beim durch diesen Übergriff weiter beschädigten Vertrauen in die Justiz – wie weit die Ermittlungen nicht doch zu einer Einsicht in die Daten auf den beiden Endgeräten von Miklautz geführt haben, wie wohl von der Justizministerin glaubhaft gemacht wurde, dass diese versiegelt bei Gericht hinterlegt wurden.
Betroffen zeigten sich die Diskussionsteilnehmer auch von der Tatsache, dass die preisgekrönte und mit der Materie bestens vertraute Ö1-Journalistin Daphne Hruby ihre Teilnahme an der Podiumsdiskussion kurzfristig „absagen musste“. Es wurde nicht zu Unrecht darüber spekuliert, dass sie von Seiten des ORF möglicherweise unter Druck gesetzt wurde. Bekannt wurde auch eine Intervention eines österreichischen Journalisten mit Haltung und Meinung, wie die Selbstbezeichnung auf seiner Website lautet, der sowohl den ORF angeschrieben als auch Meldung bei der den Aktionsradius Wien fördernden MA 7 erstattet haben soll. Sein Vorwurf galt – den Veranstaltern vorliegenden Informationen nach – dem Podium, das er als der „Corona-Leugner-Szene“ zugehörig erkannt haben will.
So war das Thema, das die Menschen in den letzten drei Jahren zutiefst bewegt und die Gesellschaft nachhaltig gespalten hat, auch in diversen Wortmeldungen präsent. Tatsächlich ist in jener Zeit der Niedergang des Journalismus als vierte Gewalt und die Mächtigen kontrollierende Instanz beschleunigt worden und vielen Menschen bewusst geworden. Gudula Walterskirchen sprach davon, dass die Journalisten plötzlich zu „Helfern der Regierung“ auserkoren wurden: es galt die einzig wahre Sichtweise auf die Situation zu vermitteln. In ihrer Ausbildung habe sie noch gelernt, dass man zu einem Thema so zu recherchieren habe, dass die verschiedenen Perspektiven dazu eingefangen und berichtet werden, damit sich die Leser eine eigene Meinung bilden können. Für sie war es durchaus ein Erfolg, wenn ein Minister am nächsten Tag wutentbrannt bei ihr anrief, denn da war sie sich sicher, dass sie ins Schwarze getroffen habe. Natürlich sei es aber auch wichtig, die eigene Arbeit kritisch zu reflektieren, Fehler zuzugeben und sich dafür zu entschuldigen.
Ortwin Rosner ortet ein Problem des aktuellen Journalismus auch darin, dass man für eine Mitarbeit in einer Redaktion im Mainstream nur dann in Frage kommt, wenn man von Anfang an dazu passt oder sich eben anpasst. Damit ist die Meinungsvielfalt schon grundsätzlich eingeschränkt. Eingeschränkt ist sie auch – da waren sich alle Teilnehmer und auch der Moderator einig – durch die Prämisse des Haltungsjournalismus. Diese störe bzw. verhindere sogar eine ernsthafte Berichterstattung. Oftmals werden auch Meinung und neutrale Information nicht mehr getrennt, obwohl das eine der wesentlichen Grundlagen von seriösem Journalismus ist.
Florian Machl, der sich von Jugend an kein Blatt vor den Mund genommen hat, sieht das auch als Auftrag für sein journalistisches Wirken. Er stellte die Frage in den Raum, ob es überhaupt schon jemals wirklich Pressefreiheit gegeben habe und wagt auch einen Blick über den großen Teich: der kürzlich von Fox News geschasste Tucker Carlson hat sich in Kürze ein eigenes Publikum aufgebaut und werkt nun erfolgreich als freier Journalist. Sein Glück sei natürlich, dass er es sich leisten könne, wie eine Stimme aus dem Publikum dazu anmerkte. Diese Möglichkeit ist vielen kritischen Journalisten leider verwehrt und so stehen sie bei abweichenden Meinungen und Haltungen im Falle eines Outings vor existenziellen Problemen, die kaum jemand in Kauf nehmen will.
Abschließend zeigte man sich etwas ratlos, wie man Julian Assange unterstützen könne, da schon so viele Versuche von bestens bezahlten Anwälten und auch des ehemaligen UN-Sonderberichterstatter für Folter Nils Melzer bislang gescheitert sind. Gabriel Shipton meinte dazu in seinem anfangs gezeigten Interview, dass es wichtig sei, nicht locker zu lassen und vor allem die politischen Vertreter immer wieder mit Fragen und Aufforderungen zu konfrontieren. Für ihn gilt nach wie vor, dass steter Tropfen den Stein höhlt.
Im Film Ithaka, der am 3.7.2023, dem Geburtstag von Julian Assange, im Wiener Burgkino gezeigt wird, kommt auch dessen Vater zu Wort, der es klipp und klar ausspricht, welche Signalwirkung eine Auslieferung und Verurteilung seines Sohnes hätte: „If he goes down, so journalism will“, sagt er und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Dennoch wäre es fatal, selbst bei einem solchen Ende der Causa Assange die Patschen zu strecken. Dazu bedarf es aber der Einigkeit unter den Journalisten, die aber in den letzten Jahren zusehends gelitten hat. Denn auch in unseren Kreisen wird nicht nur diskutiert, was Pressefreiheit darf, sondern auch durchaus schnell bewertet, was sie nicht darf – wie das Beispiel, bei dem die RESPEKT-Veranstaltung zu diskreditieren versucht wurde, exemplarisch zeigt.
Bezugnehmend auf die nicht nur seit kurzem gefährdete Pressefreiheit, die auch mit einer Einschränkung der Meinungsfreiheit einhergeht, gibt es noch weitere anschauliche Beispiele, die sich in den letzten Tagen und Woche gezeigt haben:
Da wurde kürzlich in der Wiener Zeitung bei einem Beitrag zur „Geberkonferenz für die Ukraine“ in London ein Bild veröffentlicht, dass mich sofort an eine Szene aus der Verfilmung von George Orwells 1984 erinnert hat: Dort spricht „Big Brother“ von einer großen Leinwand quasi von oben herab zum Publikum, in London durfte diese „Rolle“ der Präsident des vom Krieg mit Russland gebeutelten Landes übernehmen. Aber verschaffen Sie sich selbst einen Eindruck.
Das neue und heftig kritisierte ORF-Gesetz, das demnächst trotz zahlreicher fundierter negativer Stellungnahmen im Nationalrat beschlossen werden soll, hat den Verband Österreichischer Zeitungsherausgeber (VÖZ) nun veranlasst, eine Beschwerde bei der österreichischen Wettbewerbskommission einzureichen, damit dieses darauf geprüft wird, ob für den ORF dadurch ein Wettbewerbsvorteil entsteht. Aus diesem Grund hat sich auch der Verband der Privatsender (VÖP) nun an die Europäische Union gewandt.
In Deutschland zeigt sich die unselige Vernetzung von Medien und Politik an einem besonderen Beispiel. Da wird eine langjährige Journalistin, die von 2016 bis 2021 auch stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung unter Angela Merkel war, nun neue Intendantin bei RBB. Dies zeige, so der Autor eines diesbezüglichen Beitrags auf den Nachdenkseiten, die durchaus problematische „Drehtür“ zwischen Kontrollorganen und Machthabern.
Am 29. Juni findet die erste öffentliche Verhandlung im Hauptverfahren zwischen dem Nachdenkseiten-Redakteur Florian Warweg und dem privaten Verein „Bundespressekonferenz e.V.“ (BPK) statt. Dieser verfügt über das Monopol zur Durchführung der sogenannten Regierungspressekonferenzen und will dem unabhängigen Medium „mit allen Mitteln den Zugang zu den Regierungspressekonferenzen verweigern“. Man fürchte einen Präzedenzfall für alle „alternativen Medien“, so die Vertreter der BPK.
Journalisten werden durch das Vorantreiben der Künstlichen Intelligenz möglicherweise ohnehin bald obsolet. Bei der Bild-Zeitung werden aktuell 100 Stellen gestrichen. „Wer keine Fähigkeit hat, die nicht durch künstliche Intelligenz ersetzt werden kann, müsse gehen“ wird die Chefredakteurin zitiert. Einsparungspotential herrsche vor allem beim Zeitungslayout, dem Schnitt von Podcasts und Videos bzw. dem Kürzen von Berichten sowie deren Vertonung.
Zurück nach Österreich:
Der Verfassungsgerichtshof VfGH hat einer Anfechtung der Kärntner Landtagswahl durch die Partei „Vision Österreich“ (VÖ) nicht stattgegeben. Argumentiert wurde – und das ist im Zusammenhang mit der Pressfreiheit beachtenswert – u.a. ausdrücklich mit der aus seiner Sicht gegebenen „Rechtmäßigkeit der Vormachtstellung der traditionellen Parteien bei öffentlichen Debatten … der VfGH stützt sich dabei u.a. auf Judikatur aus den Jahren 1998 und 1987“, heißt es da in der Presseaussenung von VÖ. Für den Bundessprecher der Partei Alexander Todor-Kostic wird damit „die einseitige Berichterstattung der zu den (regierenden) Großparteien nicht mehr in ausreichender Distanz stehenden Leitmedien“ gerechtfertigt und „eine plurale Weiterentwicklung der politischen Landschaft Österreichs durch neue Gruppierungen“ verhindert. Und im weiteren heißt es: „Wenn dadurch weiters zum Ausdruck gebracht wird, dass es auch dem ORF, der bekanntlich einem gesetzlichen Objektivitätsgebot verpflichtet ist, frei gestellt sein soll, neu antretende Parteien einfach auszugrenzen, entspricht dies einer demokratischen Bankrotterklärung unseres Landes.“ Tatsächlich deutet vieles darauf hin, dass ein von Parteien besetzter VfGH seinen eigentlichen Aufgaben nicht mehr gerecht wird, weil auch er – so wie die Medien – zur „Unterstützung“ der Regierenden herangezogen wird.
Eine weitere Pressestimme verklingt am Ende dieser Woche, wenn die letzte Druckausgabe der Wiener Zeitung, der ältesten Tageszeitung der Welt, erscheint. Das Problem des Mediums war nicht nur die finanzielle Abhängigkeit von den Pflichteinschaltungen im Amtsblatt, die aufgelassen wurden, sondern auch von den jeweils herrschenden Regierungen. Die Redaktion musste sich immer wieder, mal mehr, mal weniger erfolgreich gegen deren Interventionen zur Wehr setzen und habe nun „endgültig verloren“ wie es in einem kürzlich erschienenen Beitrag in dem Blatt hieß. Damit geht auch ein wichtiger Teil der Medienvielfalt, die zum Erhalt der Meinungsfreiheit bitter nötig ist, verloren. Damit wird Österreich wohl im Presseindex vom ohnehin schon bedenklichen Platz 29 weiter abrutschen.
Ob mit all dem auch das Ende der Pressefreiheit besiegelt ist?
Gabriel Shipton hat trotz der Erfahrungen mit den Ereignissen um seinen Bruder eine klare Hoffnung: Wenn die Einschränkungen so weiter gehen, werde es aus seiner Sicht „eine Explosion der Meinungsfreiheit“ geben. Dass seine Hoffnung wahr wird, liegt in unser aller Hand. Wir können dazu einen wesentlichen Beitrag leisten, in dem wir unabhängigen Journalismus unterstützen und zwar nicht nur durch das Teilen von Artikeln und Beiträgen in unserem (virtuellen) Umfeld, sondern auch durch einen regelmäßigen finanziellen Beitrag. Schon ein Euro an jedem Werktag oder 5, 10 oder 20 Euro im Monat ermöglichen es den meist ehrenamtlich aktiven Journalisten in der unabhängigen Medienszene noch häufiger und umfassender ihrer wahren Aufgabe nachzukommen, nämlich der Kontrolle der Mächtigen und der objektiven Berichterstattung, die möglichst alle Perspektiven auf ein Thema berücksichtigt und damit den Lesern eine Entscheidungsgrundlage gibt.
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