Der Umgang mit Behinderungen in Entwicklungsländern
Behinderung ist eine große Herausforderung, auch und gerade in den Entwicklungsländern. Doch Behinderte haben sich ihren Zustand nicht ausgesucht; eine Wahrnehmung und Erfüllung ihrer Bedürfnisse ist daher von großer Wichtigkeit.
Kannst du dir vorstellen, morgens aufzuwachen mit einem so starken Schmerz in deinen Beinen, dass du dich nicht bewegen, nicht einmal aus dem Bett aufstehen kannst? Kannst du dir vorstellen, so starke Schmerzen zu haben, dass du Hilfe bei ganz einfachen, alltäglichen Handlungen brauchst? Kannst du dir vorstellen, wie es ist, deinen Job zu verlieren, weil du die grundlegenden Anforderungen dafür nicht mehr erfüllen kannst?
Kannst du dir vorstellen, wie dein Kind nach einer Umarmung weint, du aber wegen den Schmerzen in deinen Knochen und Gelenken nicht in der Lage bist, es zu halten? Und schließlich: Kannst du dir vorstellen, dass Kinder mit geistiger Behinderung festgebunden werden, wie es in Entwicklungsländern manchmal geschieht?
Jeder von uns hat andere Fähigkeiten. Viele Menschen brauchen aber auch in ihrem Alltagsleben die Unterstützung der Gesellschaft.
Wir bezeichnen Menschen nicht als „behindert„; wir beginnen, sie als „spezielle Kinder“ oder „spezielle Menschen“ zu bezeichnen. Und weil sie speziell sind, müssen wir uns ein bisschen mehr um sie kümmern als um andere.
Krankheiten, Unfallverletzungen oder Geburtskomplikationen – all das sind Realitäten des Lebens. Natürlich hätten wir gerne, dass jeder seine Beine benutzen kann, doch wenn das nicht der Fall ist, muss das für den Betroffenen keine Katastrophe sein. Menschen können andere unterstützen, um sicherzustellen, dass ihr Leben nicht allzu schwierig wird. Es ist eher ein gesellschaftliches als ein persönliches Problem und muss daher als solches angesprochen werden.
Behinderung ist ein Teil der menschlichen Verfassung. Fast jeder wird an irgendeinem Punkt in seinem Leben zeitweise oder ständig beeinträchtigt, und diejenigen, die ein hohes Alter erreichen, werden zunehmende Einschränkungen in der Funktion ihres Körpers erleben. Die meisten Großfamilien haben Mitglieder, die Hilfe brauchen, und viele, denen es besser geht, übernehmen Verantwortung für die Unterstützung und Pflege ihrer Verwandten und Freunde mit Behinderungen.
Der 13 Jahre alte Raju zum Beispiel ist Autist. Er sitzt völlig abgesondert da und kommuniziert nicht mit Gleichaltrigen, ist andererseits aber zeitweilig hyperaktiv.
Rajus Mutter ist 46 Jahre alt und Lehrerin. Sie wusste, dass ihr zweites Kind anders ist, als Raju nicht wie andere Kinder seines Alters damit begann, erste Wörter wie „ama“ oder „buwa“ zu sprechen. Sie ging mit ihm in ein Krankenhaus, doch die Ärzte konnten den Autismus nicht diagnostizieren. Stattdessen sagten sie ihr, dass er nur ein wenig in der Sprachentwicklung zurückbleibe und dass dies kein großes Problem sei.
Sie nahm ihn zu verschiedenen Schulen mit. Doch ein paar Tage nach der Einschulung wurde er zurückgewiesen, weil man bemerkte, dass mit ihm etwas nicht stimmte: Als sich herausstellte, dass er sich von anderen Kindern unterschied, wurde Rajus Mutter nahegelegt, ihn aus der Schule zu nehmen. Sie sagt, dass dies die schmerzvollste Situation in ihrem Leben war.
Später wurde bei Raju Autismus diagnostiziert. Seine Mutter wurde mit einer Sonderschule für Kinder mit besonderen Bedürfnissen in Kontakt gebracht, die Raju aufnahm.
Raju hatte Glück, an eine solche Schule gekommen zu sein, denn viele andere behinderten Kinder werden grundlegender Rechte beraubt.
Kinder mit geistigen Behinderungen (die auch manchmal „kognitive Behinderung“ genannt werden, früher sprach man auch von „zurückgebliebenen Kindern“) brauchen länger, um sprechen oder gehen oder Alltagsfähigkeiten wie Essen oder sich Anziehen zu lernen. Sie haben zumeist Probleme damit, in der Schule mitzukommen. Sie können durchaus lernen, aber sie brauchen länger dafür. Und es mag auch Dinge geben, die sie eben einfach nicht lernen können.
Wenn ich durch ländliche Gemeinden in Nepal reise, begegne ich immer wieder Kindern mit geistigen Behinderungen. Sie sind ein Problem für ihre Familien. Oft werden sie den Tag über alleine zu Hause zurückgelassen, weil ihre Eltern auf den Feldern arbeiten müssen. In den meisten ländlichen Gegenden Nepals gibt es keine speziellen Schulen, wie Raju sie besuchen konnte.
Verschiedene genetische Defekte, Komplikationen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt und andere gesundheitliche Probleme sind die Hauptgründe für Behinderungen.
Ein Schwerpunkt sollte darauf liegen, betroffenen Familien Informationen über die Behinderung zur Verfügung zu stellen. Weiterhin sollte die Regierung Schulen für Kinder mit besonderen Bedürfnissen zur Verfügung stellen.
Zunächst müssen Kindern mit geistiger Beeinträchtigung Anpassungsfähigkeiten beigebracht werden. Viele geistig behinderte Kinder brauchen Unterstützung bei der Entwicklung dieser Fähigkeiten, die nötig sind, um in einer Gemeinschaft zu leben, zu arbeiten und zu spielen. Lehrer und Eltern können einem Kind in der Schule und zu Hause helfen, diese Fähigkeiten zu entwickeln.
Weiterhin ist eine Entwicklungsplanung für Familien und Schulen wichtig, um Kinder in ihrem Übergang in die Erwachsenenwelt zu unterstützen, weil geistige Behinderungen einen Einfluss darauf haben, wie schnell und wie gut ein Individuum neue Informationen und Fähigkeiten lernt.
Und schließlich ist es dringend notwendig, Menschen mit Behinderungen Liebe und Zuwendung zu geben. Die Welt muss Hand in Hand arbeiten, um dieses soziale Problem zu lösen!
Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake