Der rurale Tourismus in Indien bedeutet Entwicklungshilfe
Mahatma Gandhi sprach einmal davon, dass „Indien in seinen Dörfern lebt“. Das stimmt weitgehend: Will man das „wahre Indien“ sehen, muss man in die Dörfer gehen. Denn die Dörfer sind in Indien die wahren Orte, an denen die Kultur und die Tradition des Landes bewahrt werden können.
Die Kultur Indiens ist sehr vielschichtig und reicht bis in die Antike zurück. Diese Faktoren wirken wie ein Magnet auf Touristen aus aller Welt. Lange Zeit beschränkten sich ihre typischen Reisedestinationen aber auf berühmte Denkmäler, Festungen, Wallfahrtsorte, Strände oder schneebedeckte Berge. Diese Orte befinden sich mehr oder weniger innerhalb des städtischen Bereichs bzw. kann man sagen, dass diese durch den Zustrom von Touristen urban geworden sind. Warum genau diese Orte als Reiseziele beworben wurden, liegt auf der Hand.
In der Tourismussprache gibt es vier wichtige Säulen des Tourismus: Erreichbarkeit, Unterkunft, Attraktionen und Annehmlichkeiten. Oder, anders ausgedrückt, wirken genau jene Orte attraktiv auf Touristen, die nahtlose Transportmöglichkeiten, gute Einrichtungen für ihren Aufenthalt, Gesundheitseinrichtungen, Geldautomaten, Telekommunikation und Internetanschluss garantieren. Deshalb konzentrierte sich die Politik jahrelang auf die herkömmlichen touristischen Reiseziele.
In den letzten Jahren hat sich jedoch die Tourismusbranche in Indien verändert. Die Politik richtete nun nämlich ihren Fokus auf den Tourismus aller Couleurs. Weiters erkannte die Tourismusindustrie in Indien die Notwendigkeit, den Tourismus breiter anzulegen, und konzentriert sich folglich auf die unerforschten und ungenutzten Ressourcen der ruralen Gebiete Indiens. Man versuchte demnach, den Tourismus in eine integrative Plattform zu verwandeln – weg von der rein urbanen, von der Elite geführten Industrie. Dieser Schritt ist schon allein deshalb intelligent, weil der Tourismus enorm zur Entwicklung der ländlichen Gebiete Indiens beitragen kann.
Rund 74% der Bevölkerung in Indien leben in Dörfern und sind dort mit steten Herausforderungen in Bezug auf Lebensunterhalt, Bildung und Gesundheitseinrichtungen konfrontiert. Der rurale Tourismus kann eine Komplettlösung für die Krise in den ländlichen Gebieten Indiens sein, da er unbestreitbar neben Landwirtschaft, Viehzucht und anderen gering qualifizierten Arbeitsplätzen das ländliche Portfolio diversifiziert. Kurz gesagt bietet der ländliche Tourismus zahlreiche sozioökonomische Vorteile für die ländlichen Regionen.
Vor diesem Hintergrund wurde 2003 in Indien das „Endogenous Tourism Project – Rural Tourism Scheme“ (ETP-RTS) ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um eine Kooperation zwischen dem Ministerium für Tourismus, der indischen Regierung und dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen. Das ETP-RTS ist also tatsächlich das Resultat der Nationalen Tourismuspolitik Indiens 2002, die den ruralen Tourismus als einen ihrer Kernbereiche festgesetzt hat. Das Ziel von ETP-RTS ist es nicht, urbanen Komfort in ländlichen Gegenden zu schaffen, sondern eine Umgebung zu gestalten, die den Touristen den Genuss von ländlichen Gebieten ermöglicht.
Die Hauptformen des ruralen Tourismus in Indien sind Agrartourismus, Kulturtourismus, Naturtourismus, Ökotourismus, ethnischer Tourismus, Lebensmittelrouten und Abenteuertourismus. Auf diese Weise versucht die Regierung, nicht nur die Produktivität im ländlichen Raum zu steigern, sondern auch die ländliche Umwelt und deren Kultur zu erhalten. Durch die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung wird der ländliche Tourismus zu einem wirksamen Mittel, um traditionelle Überzeugungen und Werte zu bewahren und zu popularisieren.
Einige beliebte Reiseziele in Indien sind Kutch Adventures India in Gujarat; Itmennan Lodges Punjabiyat in Punjab; Ecosphere Spiti in Himachal Pradesh; Lachen, Sikkkim; Ballabhpur Danga und Sunderbans Village Life in Westbengalen; Majuli in Assam; Pochampally in Telangana; Govardhan Eco Village in Maharashtra sowie Dzuleke in Nagaland.
Das Konzept des Tourismus mit Verantwortungsgefühl hat im Laufe der Zeit an Popularität gewonnen. Somit entstanden auch diverse Tourismusbetriebe mit Gefühl, die auf dieses Konzept setzen. Viele Touristen wollen sich heute aktiv an den lokalen Entwicklungsprozessen beteiligen und dabei ihre Reiseerlebnisse genießen.
Die Idee, zur Entwicklung der Gemeinschaft und der besuchten Region beizutragen, ist offensichtlich neu. Aber es entstehen dadurch nicht gleich automatisch wirtschaftliche Vorteile für die Gastländer oder Gastgemeinden. Und doch leistet der Reisende, sofern er sich für ländliche Gebiete als Urlaubsziel entscheidet, einen sehr wichtigen Beitrag: Das Niveau der sozialen Gerechtigkeit und des Wachstums des Sozialkapitals wird in diesen Regionen verbessert.
Übersetzung Englisch-Deutsch: Anna Dichen
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