Der leichte Umgang mit Gewalt
Die meisten Menschen, die irgendeinen Glauben an Freundlichkeit und Liebe haben, werden Gewaltlosigkeit gegenüber Gewalt in jedem Fall vorziehen. Wenn man vor die Wahl zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit gestellt wird, dann wird die Letztere für die meisten eine einmütige Wahl sein. Auch alle Religionen sehen Gewaltlosigkeit als den besseren Weg an, um mit Situationen umzugehen.
Dennoch ist die Geschichte der Zivilisationen übersättigt mit Gewalt. Die Bildung der Nationalstaaten, Kolonialismus, Imperialismus, nationale Unabhängigkeitsbewegungen, der Kampf um Selbstbestimmung und genau genommen jeder andere Bereich der menschlichen Geschichte ist in Blut getränkt. Das Überleben des Stärksten wird zuweilen in der Sprache der Gewalt definiert. Menschen handeln bereitwillig auf gewalttätige Art, um mit schwierigen Situationen umzugehen, bei denen es ums Überleben geht.
Menschenrechtsverletzungen, Morde, Genozide, zivile und staatenübergreifende Konflikte oder Kriege, die im Tod von Tausenden endet, sind so gewöhnlich für uns geworden, dass wir in der Lage sind, sogar während des Abendessens Nachrichtensendungen anzusehen, in denen Menschen bombardiert oder verstümmelt werden. Zumeist üben wir zwar Kritik, empfinden Mitleid oder fühlen uns abgestoßen, sind aber nie wirklich überrascht – und unser Leben geht weiter seinen gewöhnlichen Gang.
Meistens denken wir, dass wir nichts an dem Chaos ändern können, das sich in einem anderen Teil der Welt abspielt. Und wenn wir wissen, dass wir etwas tun könnten, ziehen wir es vor, uns zurückzuhalten, anstatt uns einzumischen. Nur wenige tun etwas. Nur wenige denken, dass es nicht normal ist, sich zurückzulehnen und zu beobachten, wie die Gewalt ihre Schwingen ausbreitet und unschuldige Leben verschlingt. Und die wenigen, die sich involvieren und damit ihr eigenes Leben in Unordnung bringen, werden zum abschreckenden Beispiel für uns und helfen uns bei der Rechtfertigung unserer Entscheidung, passiv und unbeteiligt zu bleiben.
Ich weiß, dass ich nicht das Recht habe, diejenigen zu kritisieren, die es vorziehen, unbeteiligt zu bleiben und mit ihrem Leben weiterzumachen, während Menschen gefoltert, getötet und massakriert werden, denn ich selbst bin um nichts besser. Doch ich mache mir Gedanken über diese Art, uns nicht gestört zu fühlen.
Und ich glaube wirklich, dass es nicht normal ist. Es ist absolut nicht normal zu denken, dass es nicht unsere Angelegenheit ist, wenn Menschen in irgendeinem anderen Teil der Welt in Bürgerkriegen oder Kriegen zwischen verschiedenen Ländern sterben. Es ist absolut nicht normal, nur mit den Schultern zu zucken und die Übernahme jeglicher Verantwortung abzulehnen für die Gewalt, die die Menschheit verschlungen hat. Es ist absolut nicht normal, auf Nummer sicher zu gehen und sich zurückzuhalten, wenn unschuldige kleine Kinder zu Opfern von Staatspolitik werden.
Die Geschichte der Menschheit hat Gewalt in allen Formen und Intensitäten erlebt, das lässt sich überhaupt nicht bestreiten. Gewalt ist ganz offensichtlich kein Phänomen unserer heutigen Zeit – sehr wohl aber die Globalisierung. Menschen sind mehr miteinander verbunden als jemals zuvor in der Geschichte. Sie sind sich dessen, was überall auf der Welt geschieht, bewusst. Doch irgendwie glauben wir, die Menschheit müsse mit der Zeit realisiert haben, dass Gewalt keine Lösung ist für die Probleme, die über sie herfallen.
Wir predigen Gewaltlosigkeit als eine nachhaltige Lösung. Wir haben Institutionen entwickelt, die mit Gewalt in jeglicher Form gegen Menschen und andere Lebewesen umgehen und sie eindämmen sollen. Wir sehen, wie sich immer mehr Menschen in solchen Organisationen engagieren, um gegen Gewalt und Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Eine ganze Reihe von Organisationen übernehmen die Aufgabe, für das Wohlergehen der Menschheit zu kämpfen, und diese Organisationen wachsen, weil sich ihnen Tag für Tag mehr Menschen anschließen. Es scheint, als seien sich die Menschen niemals in der Geschichte in solchem Maße ihrer Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen bewusst gewesen und niemals mehr bereit, sich dieser Verantwortung zu stellen. Aber traurigerweise hat sich die Gewalt nicht beugen lassen.
„Nächstenliebe beginnt zu Hause„, heißt es. Und auf ähnliche Art glaube ich, dass auch Gleichgültigkeit und Apathie zu Hause beginnen. Auf irgendeine Art sind wir alle für das Fortbestehen dieser Gleichgültigkeit und dieser Apathie, die auf unseren Sinn für Brüderlichkeit und Menschlichkeit übergreifen, verantwortlich. Auf der einen Seite diskutieren und predigen wir öffentlich über Menschen- und Tierrechte sowie über Umweltschutz. Doch nur selten engagieren wir uns mit unserem inneren Selbst und denken ernsthaft über das Leiden anderer nach. Wir reagieren nur dann ernsthaft auf Gewalt, wenn solche Probleme uns oder unsere unmittelbare Umgebung betreffen. Abgesehen davon ziehen wir es vor, in unserer Blase zu leben und erhabene Ideale von Brüderlichkeit zu bekunden.
Gewalt wird von Menschen gegen Menschen begangen. Und jeder von uns kann auf signifikante Art dazu beitragen, die Anwendung von Gewalt einzudämmen, indem wir uns zuerst und vorrangig mit unserem inneren Selbst beschäftigen und das schöne Gefühl der Empathie nähren. Gewalt kann sich nicht in unserer Umgebung etablieren und unschuldige Leben verschlingen, wenn wir der Empathie erlauben, in uns zu wachsen.
Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake
Credits
Image | Title | Autor | License |
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Keine Gewalt | Mrsmokeybear | CC BY-SA 4.0 |
Super spannender Artikel, aber wie kann man das lösen? Bis alle Menschen spirituell soweit sind umzudenken, das wird lange dauern. In einer Post-Scarcity Gesellschaft sollte das 1-2 Generationen dauern, hoffentlich kommen wir bald dorthin