Der Kampf gegen die Unterwerfung

Gesellschaft

Die Vorstellung von Frauen als Soldatinnen oder Kriegerinnen in Kriegen bzw. Konflikten scheint für viele nicht sehr attraktiv zu sein, da sie das Bild von Frauen als Pazifistinnen und Antikriegsbefürworterinnen zu destabilisieren droht. Tatsächlich nimmt das Verhältnis von Frauen zur Militarisierung im Verhältnis zu Gleichheit und Differenz einen prominenten Platz in der feministischen Debatte ein.

Feministinnen, die sich für Pazifismus aussprechen, sehen die Beteiligung von Frauen an Militarismus – und damit an Kriegs- und Konfliktzonen in Kampfrollen – als Nachahmung „hyper-maskuliner“ Charaktere.1  Sie gelten als Frauen, die eine militarisierte, männliche Identität annehmen und somit zu Objekten von Kritik werden. Diese Art von Feministinnen unterscheiden Männer von Frauen nämlich in den Grundsätzen: Männer seien Gewalttäter, während Frauen als Vorboten des Friedens verstanden werden sollten. Dieses Bild der pro-pazifistischen Feministinnen steht wiederum in der Kritik einer ganz anderen Gruppe von Feministinnen, deren Argument lautet, dass die Rolle der Frau im Krieg nicht heruntergespielt werden könne: Frauen hätten immer in unterschiedlichen Funktionen an Kriegen teilgenommen, wenn nicht sogar in einer aktiven Kampfrolle.

Nach Ansicht ebendieser Feministinnen, die Frauen als der Gewalt nicht fähig bzw. der Gewalt gegenüber stark abgeneigt sehen, verankern sich Geschlechternormen, die auf Essenzialismus und biologischem Determinismus beruhen würden. Ihrer Ansicht nach könnten die Erfahrungen von Frauen im Krieg nicht nur auf die Opferrolle reduziert werden; dabei dürfe die Rolle der Frauen im Krieg in ihren militärischen Fähigkeiten – insbesondere in Kampfrollen – nicht unberücksichtigt gelassen werden. In der Tat würden einige Feministinnen die Eingliederung von Frauen in militärische Einrichtungen nämlich als eine Errungenschaft in Sachen Frauenrechte sehen.

Debatten wie diese über die Rolle der Frau im Militär und im Krieg florieren besonders dann, sobald wir z.B. Zeugen einer Frauenbrigade in Syrien werden, die den Islamischen Staat im Irak und in Syrien (IS) bekämpft. Die mediale Darstellung dieser kurdischen Frauen, die gegen den ISIS kämpften und diese auch besiegten, sorgte für Aufmerksamkeit und Ehrfurcht vieler Menschen. Sie erntete aber auch die Kritik in einigen feministischen Kreisen; insbesondere in jenen, die den Pazifismus als Synonym für Feminismus betrachten.

Als ich die Nachricht verfolgte, dass diese kurdischen Soldatinnen gegen den IS kämpften, seine Einheiten besiegten und die Gebiete von Kobane in Syrien zurückeroberten, hatte ich ziemlich Respekt. Die frauenfeindliche Mentalität des IS sowie die sexuelle Gewalt gegen die Jesiden-Frauen sorgten für Aufruhr und wurden somit gleichzeitig zu einer internationalen Angelegenheit. Doch in dieser Zeit des gesamtheitlichen Konflikts und der Verwüstung durch den IS kämpften eben die kurdischen Soldatinnen nicht nur gegen den IS, sondern besiegten und ihn auch noch in vielen Fällen und eroberten vom IS besetzte Gebiete.

Mein Interesse an diesen Soldatinnen veranlasste mich dazu, mich in ihre Geschichte der Militarisierung und Ideologie zu vertiefen: Diese Soldatinnen gehören dem weiblichen bewaffneten Flügel (YPJ) der Partei der Kurdischen Demokratischen Union (PYD) an, welche die de facto autonome Verwaltung in Syrien aufbaute. Die Soldatinnen geben an, dass die kurdischen Frauen im Laufe der Geschichte bereitwillig an revolutionären und antikolonialen Kämpfen teilgenommen hätten, und deshalb sei es wichtig, die politische Bedeutung ihrer Teilnahme an Kampfhandlungen zu begreifen.

Sie flankieren ihren Widerstand mit der revolutionären Vergangenheit der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und behaupten, dass ihre Militarisierung in der Erfahrung des politischen Kampfes gegen staatliche Unterdrückung wurzele. Sie versichern zudem, dass ihr Kampf nicht nur gegen staatliche und nichtstaatliche Unterdrückung, sondern auch gegen unterdrückende patriarchalische Normen gerichtet sei.2 Tatsächlich bringen viele kurdische Soldatinnen ihren bewaffneten politischen Kampf mit der Geschlechterreform in Verbindung.

Nach Ansicht dieser Soldatinnen ist die Teilnahme an Guerillaorganisationen sowie die Übernahme von Kampfrollen auch eine Möglichkeit, die Geschlechtergrenzen in Frage zu stellen. Diese weiblichen Guerillas gelten als Vorbild, um der Bedeutung der weiblichen Führungsrolle in allen Lebensbereichen Ausdruck zu verleihen.3 Die Militarisierung kurdischer Frauen wird als Kampf gegen die Herrschaft durch den Kampf gegen den IS, das syrische Regime und die größere kurdische patriarchalische Gesellschaft legitimiert.4

Interessant schien mir übrigens, dass die Geschlechterparität nicht nur die bewaffneten Flügel betreffend, sondern auch in der gesamten Rojava-Bewegung herangezogen wurde. Die Verfassung von Rojava verankert die Rechte der Frauen und fordert alle öffentlichen Institutionen auf, gegen Geschlechterdiskriminierung vorzugehen. Somit sind die Frauen in der Rojava-Administration auf allen politischen und militärischen Ebenen aktiv beteiligt.5

Fünfzig Prozent der Büros in Rojava werden von Frauen besetzt, und in jeder Stadt wurde das Konzept der Ko-Präsidentschaft eingeführt. Weiters wurde in den Städten von Rojava eine reine Frauenpolizeieinheit (Asayish) gegründet. Solche Strukturen im politischen und administrativen Bereich basieren auf der Philosophie von Abdullah Öcalan, dass „der Grad der Frauenfreiheit den Grad der Freiheit in der Gesellschaft insgesamt bestimmt„.

Viele der Jesiden-Frauen, die von sexueller Gewalt seitens des IS in extremem Ausmaße betroffen waren, begannen damit, den Weg der YPJ zu gehen – sie hielten daran fest, dass ihre Re-Integration in die Gesellschaft nicht auf der Grundlage alter Muster von Geschlechternormen basieren solle, in der sie als beschämte Opfer gesehen würden. Sie sind überzeugt, dass ihre Rehabilitation eine Herausforderung für die in ihrer Gesellschaft herrschenden repressiven Geschlechternormen darstellen müsse.

Allerdings rief die Militarisierung kurdischer Frauen in einigen feministischen Kreisen kritische Stimmen hervor – man argumentierte, dass Frauen sich der Militarisierung widersetzen sollten, anstatt sich daran zu beteiligen.6 Auf diese Kritik lautete die Antwort, dass die Militarisierung kurdischer Frauen im Kontext gesehen werden müsse, der aus geschlechtsspezifischer Gewalt bestehe und weiters vom IS verewigt würde. Für die kurdischen Frauen ist Militarisierung also gleichbedeutend mit notwendiger und legitimer Selbstverteidigung und keineswegs mit staatlichem Militarismus, den die pazifistische Feministinnen bekämpften.

Trotz der diversen Debatten über die Militarisierung der kurdischen Frauen ist es von Bedeutung, die Vermittlung kurdischer Soldatinnen in einer Region, die als Sitz des Patriarchats gilt, zu begrüßen. In anderen Ländern des Nahen Ostens kämpfen Frauen immer noch mit Fragen, die grundlegende Frauenrechte betreffen. Und diesen kurdischen Frauen gelang es, den Reformprozess der Geschlechteridentität und -rollen in Gang zu setzen, ungeachtet aller Belastungen, denen sie als ethnische Minderheit im Kampf um Selbstbestimmung ausgesetzt sind.

Die Zukunft dieser Soldatinnen in einer patriarchalischen Gesellschaft bleibt ungewiss, aber ihnen ist zumindest der Erfolg sicher, dass die repressiven Geschlechternormen in allen Lebensbereichen hinterfragt werden.

Übersetzung Englisch-Deutsch: Anna Dichen

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1 https://www.opendemocracy.net/5050/dilar-dirik/feminist-pacifism-or-passive-ism
2 ebd.
3 https://www.google.co.in/amp/s/mobile.reuters.com/article/amp/idUSKCN0W20F4
4 https://www.opendemocracy.net/5050/dilar-dirik/feminist-pacifism-or-passive-ism
5 https://www.google.co.in/amp/s/mobile.reuters.com/article/amp/idUSKCN0W20F4
6 https://muftah.org/limits-western-feminist-engagement-kurdish-female-fighters/

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Kurdish_YPG_Fighters_(16050762203) Kurdishstruggle CC BY 2.0