Demokratie muss lebendig sein – im Gespräch mit Konstantin Wecker

Titelbild-Konstantin Wecker
Gesellschaft

Veranstaltungsdaten

Datum
14. 2. 2018
Veranstalter
Bund sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intellektueller & KünstlerInnen (BSA)
Ort
BSA-Generalsekretariat
Veranstaltungsart
Gespräch
Teilnehmer
Konstantin Wecker, Musiker, Schauspieler & Autor
Matthias Vavra, Vorsitzender BSA
DI Anna Vukan, Generalsekretärin BSA

Konstantin Alexander Wecker, am 1947 in München geboren, ist Musiker, Komponist, Schauspieler & Autor und gilt als einer der großen deutschen Liedermacher der Gegenwart. Der Bund Sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intellektueller & KünstlerInnen lud den Künstler zu einer Diskussionsrunde nach Wien. Im Zentrum stand seine am 1. Juni 2017 erschienene Autobiografie „Das ganze schrecklich schöne Leben“.

Im Schreiben von Autobiografien sei Konstantin Wecker mittlerweile geübt, gibt er zu Beginn des Gespräches schmunzelnd bekannt – er habe bereits insgesamt drei geschrieben. Seine aktuelle unterscheide sich insbesondere darin, dass diesmal zwei weitere Herren die Gelegenheit erhielten, ihre Sichtweise von bestimmten Passagen aus Weckers Leben zu verschriftlichen. Seine Autobiografie von vor einigen Jahren trägt den Titel „Die Kunst des Scheiterns“ und habe sich vorrangig mit selektierten Niederlagen, Pleiten und Peinlichkeiten aus Weckers Leben beschäftigt.

Das, was einen wirklich antreibt, sind doch eigentlich die Niederlagen, die Pleiten.

Wecker bezeichnet die Tatsache, in ein Land wie Deutschland und obendrein in sein Elternhaus hineingeboren zu sein, als unfassbares Glück, denn siebzig Jahre ohne Krieg erleben zu dürfen, grenze schon fast an ein Wunder. Für ihn sei dies Grund genug, sich fortlaufend mit dem Appell an sein Publikum zu richten, diese Chance nicht zu „versauen“, indem es in völkisches, nationales Verhalten kippe. Man habe darüber hinaus eine Verantwortung denjenigen gegenüber, die von diesem Glück nicht profitieren könnten.

Der antiautoritäre Erziehungsstil seines Vaters habe es Wecker ermöglicht, den eigenen Launen und Eigenwilligkeiten freien Lauf zu lassen – durchaus auch zum Leidwesen seiner Eltern, muss Wecker rückblickend feststellen. Sein Vater sei ein nicht so erfolgreicher Opernsänger gewesen und habe oft mit ihm zusammen gesungen. Weckers Mutter sei eine Spur strenger als sein Vater gewesen, ein Umstand, der sich jetzt, im Nachhinein betrachtet, als gar nicht mal so schlecht erwiesen habe. Der Melodienreichtum, den er im Hause seiner Eltern erfahren durfte, erkläre letzten Endes nebst seiner Affinität zur Poesie auch seine Liebe zum Klavierspielen.

Bereits mit vierzehn Jahren habe sich Konstantin Wecker erstmals entschlossen, das Elternhaus zu verlassen und als freier Künstler zu leben. Eine Entscheidung, die ihm nach eigenen Angaben bis heute rätselhaft erscheine, habe es doch keine Gründe gegeben, sich dem Elternhaus zu entziehen. Sein ambitionierter Ausflug sei übrigens von äußerst kurzer Dauer gewesen – nämlich genau nur einen Tag lang.

Damals habe ich mir geschworen: Ich werde nie mehr im Winter ausreißen, sondern nur noch im Sommer … oder wenn der Sommer nicht mehr weit ist.

Angesprochen auf seine Kindheit, die Wecker direkt neben dem Fluss Isar verbrachte, gibt er bekannt, dass er weder ein See- noch ein Meer- sondern ganz klar ein Fluss-Mensch sei. Nach seiner Jugendzeit begann Weckers Karriere als Schauspieler, während derer er sich glücklich wähnen durfte, mit Regisseuren wie Peter Patzak oder auch mit dem mittlerweile verstorbenen Bernd Fischerauer zusammengearbeitet zu haben. Dennoch würde er sich selbst nicht als Schauspieler bezeichnen bzw. sehen, seine Leidenschaft gelte seit jeher vielmehr dem Schreiben von Gedichten und dem Komponieren und Vortragen von Liedern.

Konstantin Wecker habe auch Vorbilder gehabt, die er liebend gerne persönlich kennengelernt hätte. Zu ihnen zählten der Komponist Carl Orff und die Schriftsteller Henry Miller und Erich Fromm. Lediglich bei Carl Orff sei es ihm vergönnt gewesen, diesen tatsächlich in seinem Privatwohnsitz in der Nähe von Andechs besuchen zu dürfen. Von ihm habe Wecker auch das seiner Meinung nach schönste Kompliment bislang erhalten: Orff habe Wecker im Laufe ihres Gespräches dazu aufgefordert, sich an den Klavierflügel zu setzen und zu spielen, und Wecker sei diesem Wunsch selbstverständlich bereitwillig nachgekommen. Daraufhin sei Orff um den Flügel herumgegangen und habe Folgendes gesagt:

Komisch spielst du. Weißt du was? Ein Mozart bist du keiner, ein Schubert auch nicht … Ich glaub‘, du bist der Wecker.

Die Aufgabe von Kunst und KünstlerInnen, Kritik am System zu üben, sei heute wichtiger denn je, meint Wecker. Er hätte liebend gern sein Leben lang nur Liebeslieder geschrieben, doch irgendwann sei ihm einfach die Wut in die Quere gekommen. Bezugnehmend auf die am Anfang dieses Gespräches gestellte Frage von Matthias Vavra, worin denn der Unterschied im Schreiben von Liedern, Gedichten und Autografien bestehe, gibt Wecker nun zu verstehen, dass ihm Gedichte bzw. Liedtexte – abgesehen von einer einzigen Ausnahme – stets „passieren“ würden. Mit seinem Werk „Willy“ sei er damals jedenfalls zum politischen Sänger geworden. In einer zehnminütigen Pause während einer Probe habe er diesen Liedtext aufgrund eines einzigen Satzes aus einem Zeitungsartikel verfasst.

Anscheinend formuliert sich etwas in mir, was immer mein ganzes Leben lang klüger gewesen ist als ich.

In der heutigen Zeit müsse man als KünsterIn zumindest Stellung beziehen, denn diese Chance der Demokratie dürfe nicht vertan werden. Auch die Stärke der Zivilgesellschaft brauche es in Zeiten wie diesen verstärkt. Wecker merke gerade jetzt – und zwar mehr denn jemals zuvor – wie Kunst Menschen ermutigen könne. Die Menschen sollten motiviert werden, zu sich selbst zu stehen, und die Kunst solle und könne ihnen dabei helfen. Eine weitere wichtige Erkenntnis sei für ihn, dass man den Verstand unbedingt mit dem Herzen, der Empathie, der Menschlichkeit verbinden müsse, ansonsten würde er „irr“ und es würde in den Wahnsinn führen.

Und hier nun das vollständige Video:

Videobild-Vavra-Wecker

Credits

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Titelbild-Konstantin Wecker Titelbild-Konstantin Wecker Idealism Prevails CC BY-SA 4.0
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