Das ‚Risiko Italien‘ für Europa

Politik

In der BSA-Gesprächsrunde von 14. September mit dem Titel „Das ‚Risiko Italien‘ für Europa“ diskutieren unter der Moderation von Matthias Vavra die freie Journalistin und Korrespondentin für die Tageszeitung „Die Presse“ in Rom, Virginia Kirst, der freie Journalist und Politikwissenschaftler in Palermo, Roman Maruhn, sowie die Journalistin, Romanistin, Buchautorin und ehemalige Korrespondentin und Leiterin des ORF-Büros für Italien, Dr. Mathilde Schwabeneder, über die Parlamentswahl in Italien.

Für Virginia Kirst ist das Rechtsbündnis unter Giorgia Meloni in der öffentlichen Meinung klar dominierend, sie sieht die Partito Democratico (PD) von Enrico Letta als deren stärksten Konkurrenten. Ein Vorteil für die von Meloni angeführte Mitte-Rechts-Allianz ist deren Einigkeit.

Roman Maruhn hat den Eindruck, dass die Wahlen im Straßenbild Italiens aktuell nicht wirklich sichtbar sind, der „Sommerferienwahlkampf“ wirkt sich hier deutlich aus, es gäbe auch wenig emotionale Beteiligung der Menschen, die Wählermobilisierung sei schwierig. Spannend ist für ihn die Frage der Wahlbeteiligung.

Für Mathilde Schwabeneder ergibt sich durch Ihren Kontakt mit zahlreichen Journalistenkollegen in Italien ebenfalls der Eindruck, dass der Wahlkampf nicht so richtig wahrgenommen wird.

Die PD setze noch Hoffnungen in die Tage bis zur Wahl, Umfragen zeigen aber einen klaren Vorsprung des Rechts-Bündnisses. Wählerbefragungen zufolge ist der abgesetzte Premier Mario Draghi weiterhin der beliebteste Politiker Italiens ist, was für sie ein Paradoxon darstellt.

Interessant ist für sie die Frage, wie sich der Verdacht, dass die LEGA von Matteo Salvini durch Wladimir Wladimirowitsch Putin unterstützt wird, auswirken wird. Sie vermutet aber auch, dass das höchstwahrscheinlich nur zu einer Umschichtung der Stimmen innerhalb der Mitte-Rechts-Allianz zu Gunsten von Giorgia Meloni führen wird und der PD nichts nützen wird.

Dr. Schwabeneder führt im Weitern aus, dass Meloni in einem postfaschistischem Umfeld aufgewachsen ist, sie beschreibt sie als sehr ehrgeizig, beseelt vom Wunsch die erste Premierministerin Italiens zu werden. Ihre Herkunft zeigt sich auch in ihrer Politik und im Parteiprogramm der Fratelli d’Italia. Familie und die Italiener stehen im Vordergrund.

Für Kirst ist Meloni nach der 5-Sterne-Bewegung und LEGA nun die dritte, die versucht, die von den Wählern gewünschte Retterin Italiens zu sein. Im Wahlkampf hat sie ihre Rhetorik stark verändert, sie wirkt durchaus moderat und möchte die Fehler Salvinis und Le Pens nicht wiederholen. Sie ist und bleibt aber eindeutig Postfaschistin, ihre Partei steht in der Tradition ihrer faschistischen Vorgänger ohne aber derzeit selbst neofaschistisch zu sein.

Roman Maruhn sieht deutliche Spuren, die rund 2 Jahrzehnte Faschismus in Italien bis heute hinterlassen haben. Die Position Melonis schätzt er als sehr stark ein, dennoch wäre eine Regierung unter ihrer Führung auch ein „Pulverfass“. Nicht zu vergessen sei, so der Politikwissenschafter, dass die Macht eines Regierungschefs in Italien weitaus schwächer als in Deutschland oder Österreich sei. Eine Wahl Melonis sieht er inneritalienisch nicht als Eklat an.

Ein mögliches Wiedererstarken der Christdemokraten sehen alle drei Diskutanten nicht, auch die so genannte „3. Kraft“ sei wohl wenig dafür geeignet, wird sie doch von zwei ehemaligen Linkspolitikern angeführt. Die Italiener wählen lieber einen klaren Weg: links oder rechts.

Einig sind sich die drei Experten in der Ansicht, dass eine Premierministerin Meloni für Brüssel zwar eine Belastung darstellt, Italien aber auch unter ihrer Führung nicht aus der EU austreten wird. Sowohl die „Agenda Draghi“, die nationales Interesse darstelle, als auch die finanziellen Vereinbarungen mit Europa werden eingehalten werden, da sie den Bürgern des Landes zugutekommen. Vielmehr hat Meloni angekündigt, diese Unterstützungen – im Gegensatz zu ihren Vorgängern – vollkommen auszuschöpfen.

Abschließend werden Fragen aus dem Publikum beantwortet und das eine oder andere Thema noch vertieft.

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