Das Leben der „Zigeuner“ – und die Überwindung von Vorurteilen
Ich widme diesen Artikel einer wundervollen Familie, die ich euch vorstellen möchte. Es sind Menschen, von denen ich so viel darüber gelernt habe und noch immer lerne, wie man ganz unabhängig vom Umfang des Besitzes ganz einfach dankbar sein kann.
Die Roma, die sogenannten „Zigeuner“, bilden in Rumänien eine der größten Minderheiten des Landes. Nach einem Zensus aus dem Jahr 2011 (einem Vorgang zur systematischen Erfassung aller Mitglieder einer Bevölkerung) sind sie 621.573 Personen oder 3,3 % der Gesamtbevölkerung und damit – nach den Ungarn – die zweitgrößte ethnische Minderheit in Rumänien.
Auch die Familie, die ich euch vorstellen möchte, sind Roma. Meine Freunde haben ein kleines Anwesen am Rande der Gesellschaft, nachdem sie von der Polizei (zusammen mit anderen Roma) gezwungen wurden, die Stadt Cluj Napoca im Jahr 2010 zu verlassen.
Ich erinnere mich, wie meine Mutter mir erzählte, dass sie Mariana kennengelernt habe, eine Roma-Frau mit acht Kindern. Sie bettelte vor unserem Haus, mit einem Zweijährigen im Arm, während sie mit dem achten Kind schwanger war. Sie hielt meine Mutter an und fragte sie nach einem Stück Brot. Meine Mutter antwortete, dass sie keines dabei habe, aber etwas für sie kaufen werde. Mutter war beeindruckt davon, dass sie nicht nach Geld gefragt hatte, sondern nach Essen, um es nach Hause zu ihren Kindern zu nehmen. Nach und nach trafen sie sich immer öfter, und meine Mutter begann, sie mit Lebensmitteln zu unterstützen.
Als ich von meinen Reisen zurückkehrte, bestand meine Mutter darauf, dass ich Mariana kennenlernen müsse. Sie war gerade im Krankenhaus, nachdem sie ein kleines Mädchen zur Welt gebracht hatte, das sie nach mir benannt hatte – Carina.
Gleich in diesem Moment baute ich eine Verbindung zu ihr auf, und so begann ich, sie öfters zu besuchen, solange sie noch im Krankenhaus war.
Ein paar Wochen nach Carinas Geburt besuchten wir sie in ihrem Zuhause. Sie leben 30-40 Minuten von der Stadt entfernt – aber der Weg ist nur dann in dieser Zeit zu schaffen, wenn man ein Auto hat. Als wir ankamen, hatte ich schon erwartet, dass die Bedingungen dort schlecht sein würden – aber nicht so schlecht.
Nachdem wir das Haus betreten und uns gesetzt hatten, begannen die Kinder ein bisschen mutiger zu werden und zu mir und meiner Mutter zu kommen. Wir gaben ihnen ein paar Sandwiches und einige Süßigkeiten, und sie waren so glücklich darüber, dass sie alles auf einmal aßen. Wir boten auch Mariana etwas an, aber sie sagte, sie könne nichts essen, solange ihre Kinder noch hungrig seien.
Ich fragte sie nach ihrem Mann und wie sie finanziell zurechtkämen. Sie antwortete, ihr Mann versuche ständig, eine Arbeit zu finden, aber niemand wolle ihn, weil er ein Roma sei (die rumänische Gesellschaft hat keine gute Meinung von ihnen). Manchmal mache er für die Leute im Dorf ein paar Arbeiten im Garten oder an ihren Häusern, aber das sei nichts, was ihnen ein sicheres Einkommen bringe. Darüber hinaus seien ihre einzigen Einkünfte die staatlichen Unterhaltszahlungen für die Kinder. Insgesamt leben sie von rund 150 Euro im Monat.
Alle Kinder gehen in die Schule oder den Kindergarten, Anghel, der unter ADHS leidet, besucht sogar eine spezielle Schule in der Stadt. Sie gehen jeden Tag mindestens eine halbe Stunde zur Schule, im Winter können sie diese durch heftigen Schneefall oft nicht erreichen.
Seit dieser Zeit versuchte ich, sie mindestens einmal im Monat zu besuchen. Zusammen mit meiner Freundin Isabel sammelte ich eine Reihe nützlicher Dinge wie warme Kleidung für die Wintermonate, Spielzeug für die Kinder, ein Moskitonetz für das Baby, warme Decken, Bettwäsche, Teller, Schreibhefte, Bücher etc. Zusammen mit meinem Cousin Paul und meiner Freundin Ioana verbrachte ich etwas Zeit mit den Kindern. Wir spielten Fußball und andere Spiele und genossen es, selbst wieder Kinder zu sein.
Vor dem Neujahrstag sammelten wir Geld und kauften ihnen als Weihnachtsgeschenk einen Generator. Jemand spendete einen alten Fernseher und einen Computer. Die Kinder sahen zum ersten Mal in ihrem Leben zu Hause fern und blieben bis zehn Uhr abends auf, weil sie endlich Licht im Haus hatten.
Manchmal ist es wirklich gut, unsere Vorurteile, mit denen wir aufgewachsen sind, abzulegen und alle gleich zu behandeln, allen eine Chance zu geben. Denn wer weiß, am Ende können wir von diesen Personen vielleicht noch etwas lernen.
Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake