Das Informationsrecht in Indien

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Meinung

Eine der heftigsten Kontroversen zwischen den Bürgern und der Regierung betrifft derzeit die zunehmende staatliche Überwachung und die damit einhergehende Verletzung von Persönlichkeitsrechten. Es überrascht nicht, dass die Überwachung derzeit auf eine Art und Weise durchgeführt wird, wie wir sie uns weder erwarten noch vorstellen hätten können. Sie wird unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit praktiziert und gerechtfertigt. Mit wachsendem Wissen und einem Verständnis für das komplexe Netzwerk und die Tragweite der staatlichen Überwachung sind Aktivisten wie auch Bürger und Bürgerinnen an den Debatten über die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit beteiligt.

Die Debatte zwischen den Bürger und der Regierung Indiens zum Thema Überwachung läuft jedoch diametral entgegengesetzt ab. Es geht dabei vielmehr um Wachsamkeit. Viele indische Bürger und Aktivisten arbeiten an effizienten und sinnvollen Gesetzen wie dem „Right to Information Act„, der den Bürgern und Bürgerinnen den Erhalt von Informationen über die Regierung ermöglicht. Die Regierung versucht jedoch, die Selbstjustiz ihrer Bürger zu dämmen.

Der Right to Information (RTI) Act gilt als ein Meilenstein bei der Unterstützung der Bürger und Bürgerinnen Indiens, die staatlichen Stellen transparenter zu machen. Er wird vom indischen Parlament als Meilensteingesetz gefeiert, das den indischen Bürgern und Bürgerinnen das Recht einräumt, Informationen von jeder „öffentlichen Behörde„, d.h. von jeder Regierungsstelle in Indien, anzufordern. Diesem Gesetz zufolge ist die betroffene Regierungsstelle dazu verpflichtet, auf jedes Auskunftsersuchen innerhalb von dreißig Tagen zu antworten. Infolgedessen stehen staatliche Stellen in der Pflicht, ihre Aufzeichnungen und Informationen zu automatisieren, so dass den Bürgern und Bürgerinnen der Zugang zu den angeforderten Informationen über die Regierungsaktivitäten erleichtert wird.

Das „Centre for Law and Democracy“ (CLD), eine internationale Organisation mit Sitz in Halifax, Kanada, stellte Indien 2013 auf den zweiten Platz von 95 Ländern, zumal es in Bezug auf seinen rechtlichen Rahmen des Rechts auf Informationsversorgung hohe Punktzahlen erzielte.

Laut dem CLD basieren die Rankings auf verschiedenen Parametern des Gesetzes und umfassen: Zugangsrecht, Geltungsbereich, Antragsverfahren, Ausnahmen und Ablehnungen, Berufungen, Sanktionen sowie Schutz- und Werbeergebnisse.

In Indien ist der RTI Act das Resultat einer mühseligen Kampagne, die von der Sozial- und Bürgerrechtlerin Anna Hazare in Maharashtra gestartet wurde. Hazare argumentierte, dass alle Regierungsvertreter und Beamten wie etwa auch Polizisten als öffentlich Bedienstete angesehen würden und somit den indischen Bürgern und Bürgerinnen gegenüber rechenschaftspflichtig seien. Hazare setzte sich zunächst für ein Gesetz zum Recht auf Information im indischen Bundesstaat Maharashtra ein. Die erste Kampagne dafür wurde 1997 in Azad Maidan, Mumbai, gestartet; am 9.8.2003 begann Hazare einen Hungerstreik, um Druck auf die Regierung des Bundesstaates Maharashtra zur Verabschiedung des Gesetzes auszuüben. Am 12. Tag des Hungerstreiks ließ die Regierung von Maharashtra den Gesetzentwurf durch den indischen Präsidenten unterzeichnen und erließ das Recht auf Information in Maharashtra. Anschließend wurde das Gesetz im indischen Parlament verabschiedet und trat 2005 landesweit in Kraft.

Es bestand die Hoffnung, dass der RTI Act die Transparenz und die Rechenschaftspflicht bei der Arbeit der Regierung fördern würde. Gemäß dem RTI Act können Bürger und Bürgerinnen von Behörden und Ämtern die Offenlegung von Informationen verlangen.

Es besteht kein Zweifel, dass durch die Umsetzung des RTI Acts mehr Transparenz in der Funktionsweise der Regierungsbeamten ermöglicht wird und so die Geheimhaltungskultur abgeschafft wurde. Dies wiederum trug zu Verbesserungen bei der Rechenschaftspflicht, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit in den Regierungsstellen bei. Der RTI Act ist also wirklich ein Instrument für eine gute Regierungsführung und Entwicklung, da eine bewusste und informierte Bürgerschaft nicht nur zu einer partizipativen Regierungsführung führt, sondern auch Korruption eindämmen kann.

Bereits in der Vergangenheit wurde bewiesen, dass der RTI Act dazu beitrug, Korruption zu kontrollieren und Rechenschaft zu erzwingen, indem viele prominente Betrugsfälle aufgedeckt wurden. Darüber hinaus hat er zu einer Verringerung der Korruption in den öffentlichen Diensten – wie in Ernährungssicherungsprogrammen, Gesundheitsprogrammen und anderen Projekten für benachteiligte Bevölkerungsgruppen – geführt. Andererseits gab es jedoch auch mehrere Versuche, die Bestimmungen des Gesetzes durch diverse Änderungen zu verwässern und zu unterlaufen.

Neben der Tatsache, dass der RTI Act ein Instrument einer guten Regierungsführung darstellt, ist er meines Erachtens auch nicht weniger als ein Bürgerrecht für Inder. Bürgerrechte können als ein weitreichendes und signifikantes Bündel von Rechten definiert werden, die den Einzelnen vor ungerechter Behandlung und Diskriminierung schützen soll. Oder anders betrachtet stellen Bürgerrechte das Recht des Einzelnen auf Gleichbehandlung dar.

Die meisten Inder zögern jedoch, Regierungsstellen aufzusuchen und sich diese Arbeit anzutun. Es ist nämlich mit Anstrengungen verbunden, denn zumeist steht man in einer Warteschlage und muss stunden-, tage- oder sogar monatelang ausharren, um simple Aufgaben erledigt zu haben, wie z.B. eine Unterschrift von einem hohen Beamten auf einem Dokument zu erhalten. Darüber hinaus gibt es keine Garantie, dass man sich dort um die Anliegen auch wirklich kümmert. Die Selbstgefälligkeit der Beamten und deren Überforderung sind nur einige Gründe für diesen Zustand.

Die Menschen in Indien sind oft frustriert über die Art und Weise, wie die Arbeit in den Behörden erledigt wird, scheinen aber hilflos, etwas an dieser Situation zu verändern. Sie werden auch oft nicht darüber informiert, warum ihre Anträge von den Behörden abgelehnt wurden. Der RTI Act ist jedoch ein Instrument, das in solchen Situationen geschickt eingesetzt werden könnte – und Regierungsbeamte können für ihr Verhalten und ihre Entscheidungen zur Verantwortung gezogen werden. Ich finde es enttäuschend, dass sich nur ein kleiner Prozentsatz der Menschen dieses Rechts bewusst ist, sich nämlich in solchen Situationen über eine öffentliche Einrichtung erkundigen zu können.

Ein Großteil der Bevölkerung in Indien kennt den RTI Act noch nicht einmal oder kann mit dessen Verfahren nicht umgehen. Nur die gebildeten Bürger – und selbst unter diesen nur die informierten Bürger – sind sich der mit dem RTI Act verbundenen Macht bewusst. Daher kann natürlich ganz leicht die Behauptung aufgestellt werden, dass der RTI Act, der den Bürgern und Bürgerinnen die staatliche Funktionalität erleichtern sollte, seinen Zweck nicht erreichen konnte. Und unabhängig davon, dass der Zugang zu den Verfahren und deren Beantragung im RTI-Gesetz recht einfach ist, haben die Menschen noch keinen Gebrauch davon gemacht.

Übersetzung Englisch-Deutsch: Anna Dichen

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