Das feine „Fest des Kruges“
In Indien kennt fast jeder den Begriff „Kumbh Mela“. Das Wort „Kumbh“ bedeutet im Englischen Topf oder Krug, Und das Wort „mela“ heißt Fest. Auch ich hatte davon gehört, aber ich wusste lange Zeit nicht viel darüber. Was ich aber wusste, war, dass sich Asketen und Pilger aus ganz Indien auf dem Mela-Gelände versammeln, um ihre Sünden zu sühnen, indem sie ein Bad im heiligen Wasser des Ganges nehmen. Ich hatte überhaupt keine Ahnung von der Bedeutung dieses Festes und ihrer Bedeutung im hinduistischen Denkprozess.
Mein Interesse an Kumbh Mela wurde geweckt, als ich auf einige Bilder stieß, die von einem Freund, der sich eine Woche lang auf dem Pilgerfest befand, in den sozialen Medien gepostet wurden. Bis dahin dachte ich, dass dieser Jahrmarkt nur für Pilger gedacht sei, die sich eben für Pilgerreisen interessieren. Doch mein Freund erzählte mir von seinen Erfahrungen dort und von einer ganz anderen Welt, in der sich Asketen aus ganz Indien versammeln.
Seine Beschreibunge des „Kumbh Mela“ machten mich neugierig. Sofort packte ich meine Sachen, um mich nach Allahabad im Bundesstaat Uttar Pradesh zu begeben. Allahabad ist nur eine sechsstündige Zugfahrt von Delhi entfernt, also plante ich nicht viel und fuhr hin. Der Zug, in den ich eingestiegen bin, war voll und mir wurde klar, dass die meisten Passagiere an Bord des Zuges wie ich nach Allahabad reisten, um an dem Fest teilzunehmen. Um ehrlich zu sein, zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, wie sich meine Reise gestalten sollte. Scheinbar war ich nur auf der Suche nach einem unkonventionellem Erlebnis auf dem Pilgerfest.
Der Zug erreichte den Bahnhof von Allahabad, und kaum aus dem Zug ausgestiegen, erblickte ich meinen Freund. Wir nahmen ein Taxi und erreichten schließlich das Gelände von Kumbh Mela. Die riesige Ansammlung von Menschen verblüffte mich! Für einen Moment hatte ich das Gefühl, als ob ich an Enochlophobie (Angst vor Menschenmassen) litt. Doch ich wusste: Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Ich atmete tief durch und ließ mich von der Menge treiben. Der Strom an Menschen schien unaufhaltsam. Auf den ersten Blick kam mir alles verrückt vor, doch allmählich konnte ich die Schönheit dieses „Glaubens“ erkennen, der sich in all denjenigen breitmachte, die neben mir im Strom pilgerten. Die Masse bestand aus einer prächtigen Mischung diverser Asketen, einfachen Dorfbewohnern und Stadtbewohnern. Sofort erfasste ich die Vielschichtigkeit und Komplexität unserer indischen Kultur.
Mein Freund und ich begannen, die diversen Zelten zu passieren, die von Yogis aus den verschiedensten Teilen der Welt aufgestellt worden waren. Ich wollte mit einem solchen Yogi in Kontakt treten, wusste aber nicht, worüber ich reden sollte. Dann gingen wir aber endlich zu einem Yogi und ich bat ihn einfach, mir die Bedeutung von Kumbh Mela zu erklären.
Der Yogi erzählte mir, dass alles, was wir in Indien sehen und vorfinden, drei Interpretationen haben könne: physisch, metaphysisch und spirituell. Und so habe Kumbh auch drei Interpretationen. Er sagte, dass Kumbh eine Feier der Herrlichkeit des Kumbh oder Kruges sei, in dem sich ein bestimmtes Elixier befinde. In der Tat, es ist ein Fest des Wissens und des Lebens. Und Kumbh bezieht sich auf einen Topf oder Krug, der mit dem Elixier der Unsterblichkeit gefüllt sei. Dieses Elixier sei an vier Stellen fallen gelassen worden, als die Inkarnation eines Gottes von Lord Vishnu versucht habe, es vor den Dämonen zu verstecken. Diese vier Orte seien zu den Plätzen für Kumbh Mela geworden, und zwar: Haridwar, Allahabad oder Prayag, Nasik und Ujjain.
Der Yogi erzählte mir weiter, dass Kumbh auch auf der Astrologie basiere und erscheine, wenn die Himmelskörper in der Wassermann-Konstellation liegen würden. Ich verstand noch nichts von seiner Erzählung über die astrologische Bedeutung.
Der Yogi sprach auch von einer anderne Bedeutung der vier Orte, an denen Kumbh Mela gefeiert wird. Laut den Veden, das sind alte indische Schriften, sei der Ort, an dem sich zwei Flüsse treffen, ideal für die Praktizierung von Yajna.
Yajna wiederum ist ein uraltes Opferritual, das durch Gesang vedischer Mantreten begleitet un dbei dem Kräutermischungen in Feuer oder Agni angeboten würden. Die Aufführung von Yajna ist eine alte Tradition in Indien. Der Yogi erzählte mir, dass Lord Brahma, der Schöpfer des Universums, die erste Yajna in Prayag, d.h. Allahabad, durchgeführt hat, nachdem er seine Erschaffung des Universums abgeschlossen hatte. Und seitdem wurden viele Yajnas an diesem Ort aufgeführt. In der Tat bedeutet Prayag einen Ort, an dem Yajnas aufgeführt werden. Er erzählte mir weiter, dass es in Indien viele Prayags gibt, aber der in Allahabad ist am wichtigsten, da er der Zusammenfluss von drei Flüssen ist, nämlich Ganges, Yamuna und Saraswati.
Nach ein paar Tagen, die ich mich in Kumbh Mela aufhielt, wurde mir klar, dass viele Heilige und Yogis über diverse Themen sprechen und bereitwillig die verschiedenen Wege ausarbeiten würden, um schließlich eins mit dem Göttlichen zu werden.
Diese Erfahrung war mit Sicherheit eine außergewöhnliche und bot mir eine Art Stille inmitten von einer lärmenden Masse und Millionen Menschen.
Übersetzung Englisch-Deutsch: Anna Dichen