CETA, TTIP & Co: Wer profitiert?

EU-USA-FLAG-MONTAGE
Wirtschaft

Veranstaltungsdaten

Datum
22. 2. 2016
Veranstalter
Arbeiterkammer Wien
Ort
Bildungszentrum der AK Wien
Veranstaltungsart
Podiumsdiskussion

Podiumsdiskussion mit EU-Kommissarin für Handel Cecilia Malmström, 22.2.2016, AK Wien

Die Eröffnung erfolgt durch Rudolf Kaske, Präsident der Wiener AK. Er ist gegen Schiedsgerichte, egal ob ISDS oder ICS (Investment court system – neuer Vorschlag von Malmström). Seiner Meinung nach gibt es schon genügend Gerichte, die im Streitfall angerufen werden können. Er sieht eine große Gefahr darin, daß Schutzbestimmungen (Arbeitnehmerrechte, Umwelt, Daten etc) von Handelsexperten verhandelt werden, die nicht das Interesse der Allgemeinheit im Blick haben. Daß die USA die ILO nur zu einem geringen Teil ratifiziert haben, sieht er ebenso kritisch, wie die niedrigen Umweltstandards.

Es folgt Cecilia Malströms Eröffnungsstatement, in dem sie sehr häufig den Satz and we have listened verwendet. Sie sieht eine größtmögliche Transparenz der Verhandlungen gegeben. Es gibt eine Website (die tatsächlich sehr ausführlich ist), auf der man die Ergebnisse der bisherigen Verhandlungen und auch Zwischenberichte verfolgen kann. Das EU-Parlament wird immer auf dem neuesten Stand gehalten, ebenso wurden (ein Novum bei Verhandlungen über Freihandelsabkommen) für die Abgeordneten nationaler Parlamente Leseräume eingerichtet, wo man zwar nichts kopieren oder fotografieren darf, wo die Inhalte aber zugänglich gemacht werden.

Im November 2015 hat Frau Malström das ICS vorgestellt, welches das System ISDS, das vom EU-Parlament abgelehnt wurde, ersetzen soll. Sie hält fest, daß ISDS-ähnliche Regelungen bereits in vielen seit 1959 von Österreich und Deutschland abgeschlossenen bi- und multilateralen Handelsverträgen beinhaltet sind. Neu an ICS ist, daß unabhängige Richter bestellt werden, und daß eine Firma nur dann gegen einen Staat klagen kann, wenn sie gegenüber anderen/nationalen Firmen benachteiligt/diskriminiert wurde. Diese Möglichkeit des Einspruchs haben österreichische Firmen in den USA laut Malmström aktuell nicht. Die Klage gegen Staaten, weil Konzernen durch ein Gesetz Profite entgehen, ist über ICS nicht möglich.

Zwischen den USA und Europa gäbe es zahlreiche unterschiedliche Gesetze und Regelungen, die man auf einen Nenner bringen könnte (zb technische Standards). Malström hält dezidiert fest, daß kein Freihandelsvertrag ever die europäischen Standards senken wird, egal in welchem Bereich. Durch TTIp dürfen Standards nur erhöht – nicht aber verschlechtert – werden, neue Gesetze zur Verbesserungen der Sicherheit von Produkten etc dürfen weiterhin gemacht werden.

Warum sie TTIP als wichtig erachte: die Welt verändert sich. Mehr als 90% des Wirtschaftswachstums weltweit wird außerhalb Europas generiert. *) Es ist besser für Europa und die USA, wenn sie gemeinsam weltweite Standards festsetzen, als dies anderen zu überlassen (zb China). Die europäischen Werte werden durch die Freihandelsabkommen nicht beeinträchtigt.

*) Eine (falsche) Behautung des BDI, der sich auf eine Studie des Centre for Economic Policy Research (CEPR) beruft. Allerdings haben die Autoren dieser Studie bereits darauf hingewiesen, daß die Schlüsse des BDI falsch sind.

 

Daseinsvorsorge und regulatorische Kooperation

Die Diskussion eröffnet Renate Anderl (ÖGB), die im TTIP-Vertrag explizit schriftlich festgehalten haben möchte, daß Bereiche der Daseinsvorsorge von diesem Abkommen ausgenommen sind. Sie kritisiert den Investmentschutz (ISDS) und die rigorosen Bedingungen für die Leseräume.

Es folgen drei Fragen aus dem Publikum. Johannes Gutmann, ein Vertreter der Arbeitsgemeinschaft KMU gegen TTIP will wissen, wie die Arbeitsplätze in der Landwirtschaft erhalten werden, obwohl man weiß, daß zb durch NAFTA 2.5 Millionen Arbeitsplätze in diesem Bereich vernichtet wurden. Manfred Neuberger von der Med Uni Wien stellte fest, daß der Suchtgifthandel vom TTIP nicht ausgenommen ist. Auch die Klage von Philip Morris gegen den Staat Uruguay sieht er kritisch, da die ursprüngliche Klagssumme (2mrd USD)  Uruguay in finanzielle Schwierigkeiten gebracht hätte. Eine Dame fragt, mit welchem Recht Investoreninteressen vor Gesetzen geschützt werden sollen, die von gewählten Volksvetretern verabschiedet wurden.

Leonore Gewessler (Global 2000) beruft sich auf eine Umfrage, laut der sich 77% der Österreicher eine Senkung der Umweltstandards durch TTIP erwarten. Bei einer Angleichung der Standards zwischen den USA und Europa warnt sie vor einem race to the bottom auf Grund wirtschaftlicher Zwänge. Die regulatorische Kooperation sieht sie auf Grund der komplett unterschiedlichen rechtlichen/politischen Traditionen in den USA und Europa (in den USA werden oftmals erst Vorschriften verabschiedet, wenn es bereits Schadensfälle gibt) kritisch. Beispielsweise sind in den USA nur 11 bedenkliche Inhaltsstoffe von Kosmetika verboten, in Europa sind des 1378. Das office of information and regulatory affairs, welches die Umsetzung von Gesetzen in den USA begleitet und Abänderungen vorschlägt, schlägt sich zumeist auf die Seite der Wirtschaft, vor allem wenn es um Umweltthemen geht (84% der Gesetze, die sich mit Umweltstandards befassen, wurden auf Anraten dieser Organisation abgeschwächt).

Auf twitter will ein Seher der Diskussion wissen, ob Malmström zu ihrem statement „I do not take my mandate from the European people“ steht, und von wem sie denn ihr Mandat erhalten habe.

Malmström ist wieder an der Reihe und antwortet auf dieses Zitat, das sie so nie gesagt haben will. Sie habe vielmehr gemeint, daß sich ihr Mandat, über TTIP zu verhandeln, aus dem Beschluß von 28 Staaten ableite, was aber nicht heißt, daß ein Kommissar nicht (zumindest indirekt) durch seine Bestellung durch das europäische Parlament ein Mandat der Menschen Europas erhalten hat. Dem Vorwurf der Arbeitsplatzvernichtung durch Freihandelsabkommen entgegnet sie, daß es Untersuchungen gäbe, die beweisen, daß andere Abkommen Jobs geschaffen hätten. Herrn Neuberger entgegnet sie, daß alles, was jetzt verboten ist (Drogen), auch verboten bleibt.

Bezüglich der Bedenken gegen die regulatorische Kooperation meint sie, daß keine neuen Institutionen geschaffen werden sollen, sondern daß Experten auf beiden Seiten des Atlantik technische, wirtschaftliche und Umweltstandards ausarbeiten sollen, und diese dann auch durch die Parlamente abgesegnet werden müssen. Man dürfe es nicht anderen, die sich nicht um Mindeststandards scheren, überlassen, diese weltweit zu setzen.

Die Verhandlungspunkte, bei denen keine Übereinstimmung mit den USA erreicht wird, werden nicht Teil von TTIP sein. Die Daseinsvorsorge wird nicht betroffen sein, es wird keine Privatisierungspflicht geben.

 

Transparenz und das Right to regulate

Als nächstes zu Wort kommt Alexandra Strickner (Attac), die bei ICS keinen Fortschritt zu ISDS erkennen kann, so zumindest das Ergebnis einer Attac-Studie. Die Texteinsicht sei weiterhin schwierig (Verstöße sind mit Klagen bedroht). Der Reformvorschlag ICS enthalte zB die Aussage, daß Staaten „stabile Rahmenbedingungen“ garantieren müssen. Diese schwammige Formulierung würde Konzernen Tür und Tor öffnen und wäre noch schlimmer, als im ISDS. International würden Richter und Experten ICS bereits ablehen. Strickner verweist auf die Klage von Trans-Canada gegen die USA, weil diese eine geplante Pipeline nun nicht mehr bauen will. Sollten im Bereich der Daseinsvorsorge Liberalisierungen vorgenommen werden, so können diese nicht mehr zurückgenommen werden  – zumindest bei CETA, das bereits diesen Sommer zum Abschluß gebracht werden soll. Abschließend wünscht sie sich, daß es keine Herrschaft der Konzerne geben soll, worauf großer Jubel im Saal ausbricht.

Wieder ist das Publikum dran. Stefan Knoll (Greenpeace) stellt ebenfalls fest, daß ICS keine Verbesserungen bringt. Im CETA-Abkommen seien Stand heute die ISDS festgeschrieben, es gibt dort keine Berufungsinstanzen und keine unabhängigen Richter. Wie stehen hier die Verhandlungen ? Zuzana Brejcha vom Kulturrat Österreich stellt fest, daß die USA die UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt nicht beigetreten ist und sieht angesichts der Rechtslage in den USA v.a. im Bereich digital products große Problem auf Europa zukommen. Über Twitter wird nochmals nachgefragt, warum es geheime Verhandlungen gibt und warum es zu eine starke Zugangsbeschränkung zu den Leseräumen gibt.

Als letzter Podiumsdiskutant meint Valentin Wedl (AK), daß vom festgeschriebenen „right to regulate“  der Mitgliedsstaaten viele Themen ausgenommen seien, zb was öffentliche Dienstleistungen, Arbeitnehmerrechte und Umweltauflagen betrifft. Er sieht drei Grundwerte Europas – die Demokratie, den Wohlfahrtsstaat und die Grundrechte – durch TTIP gefährdet. Das europäische Vorsorgeprinzip sei im Abkommen nicht verankert. In vielen Gesprächen mit der Industrie kommt  er zum Schluß, daß diese die Umsetzung des Investitionsschutzes (den er als Gewinngarantie durch den Steuerzahler bezeichnet) nicht unbedingt erwartet bzw als Voraussetzung für TTIP erachtet.

 

Noch einmal werben für das Abkommen

Das Wort geht wieder an Kommissarin Malmström. Wenn TTIP fertig verhandelt sei, dann wird das Dokument in 23 Sprachen übersetzt und ein Jahr lang online gestellt. Sie stellt fest, daß in allen bis auf 4 Ländern innerhalb der EU eine Mehrheit in der Bevölkerung pro TTIP gestimmt ist. Sie bekräftigt nochmals, daß alle bisherigen Verbote auch weiterhin bestehen bleiben. Die Verhandlungen würden regelmäßig vom EU-Parlament kontrolliert. Sie bittet um Verständnis, daß Verhandlungen dieser Dimension bis zu einem gewissen Grad geheim durchgeführt werden müssen, da es auch Parteien außerhalb der Verhandlungspartner gibt, die an Informationen TTIP betreffend brennend interessiert wären (China, Russland etc). Rechtlich dürfe sie zB die Vorlagen der USA gar nicht veröffentlichen. ICS lobt sie als neues System und weist darauf hin, daß Österreich bereits 70 bilaterale Verträge abgeschlossen hat, die ISDS-Konstrukte enthalten. Neun europäische Länder haben bereits bilaterale Investitionsschutzabkommen mit den USA. Im ICS gibt es unabhängige Richter und volle Transparenz. Konzerne haben keine Möglichkeit, Staaten auf Grund verschärfter Umweltgesetze zu klagen. Bei CETA stellt sie fest, daß keine amerikanische Firma über den Umweg Kanada einen europäischen Staat klagen kann (Im Falle von NAFTA ist das allerdings schon oft passiert). Digitale Produkte seien nicht Bestandteil der Verhandlungen. Bzgl TISA bekräftigt Malmström, daß öffentliche Dienstleistungen und die Daseinsvorsorge keiner Privatisierungspflicht unterwerfen werden. Es sei auch vorgesehen, Privatisierungen rückgängig machen zu können.

Abschließend weist Frau Gewessler die Bitte Malmströms, man möge auf den finalen Vertrag warten und dann erst Kritik äußern, zurück: das wird nicht passieren, denn es gibt jetzt schon finalisierte Vertragsteile, die gar nicht im Interesse der Mehrheit sind.

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Diskussion (2 Kommentare)

  1. Hi – wer profitiert denn jetzt genau davon?
    Die großen Konzerne, der „kleine Bürger“? Alle?
    Wie denkst du darüber?

  2. Nunja, auch Frau Malmström konnte mich nicht davon überzeugen, daß das Freihandelsabkommen für die Masse der Bevölkerung große Vorteile bringt. Es ist anzuerkennen, daß der Verhandlungsprozeß transparenter gemacht wurde, allerdings bleibt immer noch die Kritik, daß vor allem Großkonzerne von diesem Vertrag profitieren werden. Nicht umsonst ist die Abneigung bei Politikern auf beiden Seiten des Atlantik (was auch im aktuellen amerikanischen Wahlkampf bei allen Kandidaten festzustellen ist) gegeben. Unterstützung findet sich vor allem bei Wirtschaftsverbänden und Vorstandschefs.