Beide Beine auf dem Boden
Als ich ankam, war ich so dümmlich stolz auf mich! Es war eine Errungenschaft in die richtige Richtung, es war ich im Aufbau – wie an allen anderen Tagen, aber dieser war ein bisschen intensiver. Es war in jedem Fall keine große Verbesserung in meinem Leben, doch an diesem Tag bedeutete es die Welt für mich. Es war ein Teil meines Selbst, den ich bewusst formte.
(aus: Mit einem Bein am Boden)
In den darauffolgenden Wochen erlebte ich viele wunderbare Momente. Ich nahm an den Veranstaltungen eines Kulturinstituts in Agadir teil und lernte eine interessante Gruppe engagierter junger Menschen kennen, die Marokkos Gesellschaft zum Besseren verändern wollen. Und ich fand einen Reisebegleiter, mit dem ich einen Teil meines Trips gemeinsam unternahm; das machte es für mich sehr viel einfacher, mit einem guten Gefühl am späteren Abend herumzugehen oder Orte zu besuchen, an denen ich mich alleine noch immer unsicher fühlte.
Als ich alleine in einer nicht vertrauten Umgebung unterwegs war, stellte ich fest, dass ich mich eingeschränkt fühlte.
Ich hätte mich wahrscheinlich gut dabei gefühlt, wenn ich mich getraut hätte, mehr Dinge zu unternehmen, aber das Gefühl der Angst hinderte mich daran, es überhaupt zu versuchen.
So lernte ich nur einen winzigen Bruchteil des marokkanischen Lebensstils kennen. Ich durchstreifte die engen Gassen der Altstadt von Medina. Ich sah, wie schön es ist, wenn all die kleinen Dinge hergestellt werden, die das Leben ausmachen. Das Obst, das Gemüse, die Nüsse, alles aus lokalem Anbau und frisch geerntet, kombiniert zu großartigen Gerichten; die Teppichknüpfer, die in ihren kleinen Läden überall in den Straßen arbeiteten; die Schmuckverkäufer, die Geschichten erzählen können über den Ursprung der Mineralien, die zu atemberaubenden Schmuckstücken geformt wurden; und die aufregenden und delikaten Erzeugnisse der Zuckerbäcker, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, wenn man nur an ihnen vorübergeht.
Um meine Reise abzuschließen, entschied ich mich, die letzte Woche in Tanger zu verbringen. Dort wollte ich etwas Zeit finden, um über das Ende meines zweieinhalbjährigen Abenteuers nachzudenken – und über das, was vor mir lag. Ich fühlte, dass es an der Zeit war, zur Ruhe zu kommen und einfach mal auf meine Gedanken und Gefühle zu achten. Am Anfang fühlte es sich seltsam an, manchmal sogar langweilig. Ich saß draußen auf der Terrasse des Hostels und dachte darüber nach, was ich fühlte und was die Gründe dafür waren.
Der einzige Nachteil war, dass es sich seltsam anfühlte, weil ich sowas noch nie zuvor gemacht hatte. Doch nach ein paar Tagen, in denen ich einfach nur versuchte zu verstehen, begann ich mich wieder im Hier und Jetzt zu fühlen. Es war mir gelungen, meinen Verstand zu klären, und ich konnte nun sehen, was darin gerade vor sich ging.
Ich wunderte mich, warum alle immer nur einen so kleinen Teil ihrer Seele anderen Menschen mitteilen. Ist es für alle so ein Kampf, wenn sie das auszudrücken versuchen, was in ihnen vorgeht und wie sie sich wirklich fühlen? Fressen wir immer nur alles in uns rein und versuchen, irgendwie mit dem klar zu kommen, was Tag für Tag in unseren Köpfen, in unseren Seelen vorgeht?
Natürlich kann man nie jemanden dazu bringen, vollständig zu verstehen, was in einem vorgeht, das funktioniert einfach nicht. Aber wie nahe kann man dem kommen? Bin ich wirklich so einzigartig, weil ich es nicht geschafft habe, mir selbst oder irgendwem anderen irgendwas der Realität meiner Seele halbwegs entsprechend darzustellen?
Es war eine schöne Zeit, für die ich dankbar bin. Es mag sich komisch anhören, doch ich verspreche, dass ich „normal“ bin – oder das zumindest glaube. Und darauf zu vertrauen, dass ich mich selbst und den Zustand, in dem ich mich gerade befinde, akzeptieren kann, gab mir ein Gefühl von Ruhe und Stärke. Ich spüre, dass ich ein solideres Fundament dafür geschaffen habe, mit allem umzugehen, was auf mich zukommen mag.
An dieser Stelle möchte ich euch dafür danken, meiner Reise gefolgt zu sein. Ich wünsche euch erfreuliche Abenteuer in eurem Leben!
Übersetzung Englisch-Deutsch: Martin Krake