Backstage Interview mit Simon Sonnenberg (Zukunftskonferenz 2021)
Geld habe wesentlich mehr Komponenten, als nur die rein ökonomische (Tauschmittel, Sparfunktion etc), meint Geldmarktexperte Simon Sonnenberg in seinem Backstage-Interview bei der Zukunftskonferenz 2021: die soziale wie auch die ökologische Komponente ist für die Menschen zwar kaum greifbar, hat aber eine ebenso große Auswirkung auf ihr Leben.
Wie Sonnenberg in seinem Vortrag gezeigt hat, können weder die Bevölkerung, noch Experten oder Politiker wesentliche Fragen zum Geldwesen beantworten: woher kommt unser Geld, wie und von wem wird es erschaffen, und wie wird es verteilt. Und das, obwohl Geld der Alltagsgegenstand schlechthin ist.
Wir leben heute in einem Schuldgeldsystem, in dem Geschäftsbanken einen Großteil des Geldes durch Kreditvergabe erschaffen. Banken sind somit keine Intermediäre, wie oft fälschlich angenommen, sondern sie erzeugen selbständig neues (Giral)Geld aus dem Nichts, wenn sie Kredite vergeben. Dieser Vorgang nennt sich Bilanzverlängerung.
Die moralische Komponente, dass Schulden natürlich Druck erzeugen, ist offenbar gewollt; denn das Schuldgeldsystem ist keineswegs alternativlos, wie Sonnenberg anhand der staatlichen Münzprägung beschreibt. Der Druck, den das Schuldgeldsystem gesellschaftlich erzeugt, führt zu mehr Konkurrenz und damit zu einer Entsolidarisierung der Gesellschaft.
Für Sonnenberg ist es noch nicht abschließend geklärt, ob ein Zinseszinssystem einen inhärenten Wachstumszwang aufweist (denn Zinsen müssen erwirtschaftet werden), auch wenn dieser Ansatz für ihn plausibel klingt und natürlich massive Auswirkungen auf die Gesellschaft hat.
Schulden per se sind nichts Schlechtes. Entscheidend ist, wer diese Schulden hält/kontrolliert und ob sie sozial und ökologisch tragbar sind.
Dass Geldmengen weltweit exponentiell anwachsen, hängt nicht nur mit dem Wirtschaftswachstum zusammen: das Geld, dass die Zentralbank erzeugt und in den Interbankenmarkt einspeist, ist ein weiterer wichtiger Treiber dieser Entwicklung, die zu einer zunehmenden Instabilität des Geldsystems beiträgt. Dass Aktien und andere Asset-Klassen – trotz Coronakrise und darauffolgende Lieferketteneinbrüche – auf Rekordniveaus stehen, hängt mit der massiven Geldschöpfung zusammen (Vermögenspreisinflation). Die Gewinner dieser Geldvermehrung sind einige wenige, die unfassbare Vermögenszuwächse während der Krise erlebten – während in Gesundheitssystemen weltweit während einer Pandemie gespart werden muss.
Um positive Veränderungen zu erreichen, müsste sich die Gesellschaft auf eine Wertehierarchie einigen, in der die nur noch Wirtschaft einen Teilaspekt abbildet und soziale wie ökologische Gesichtspunkte berücksichtigt werden.
Die Grundidee des Vollgeldsystems, das Sonnenberg favorisiert, ist, dass nur der Staat Geld schaffen kann; denn Geld ist „kritische Infrastruktur“, die jeder nutzt. Deshalb kann auch nur der Vertreter der Bürger, also der Staat, dessen Ausgabe sinnvoll übernehmen, und nicht der unkontrollierbare Markt. Eine vierte Staatsgewalt, die s.g. Monetative, kümmert sich nach diesem Modell um alle Geldbelange; dies sei nötig, da Geschäftsbanken sich nicht nach dem Gemeinwohl, sondern nach Privatinteressen richten. Wie genau die Monetative institutionalisiert werden könnte, beschreibt Sonnenberg im Folgenden.
Das Interview führte Michael Karjalainen-Dräger.
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Simon Sonnenberg – Backstage Interview | Wolfgang Müller | CC BY SA 4.0 |