Auf der Suche nach einem Dorf in der Wüste
Wir hatten gerade eine lange und schweißtreibende Zugfahrt hinter uns gebracht und kamen in Jaisalmer an – einer wunderschönen Weltkulturerbestadt, gekrönt von einer alten Festung, im Herzen der Thar-Wüste (der Großen Indischen Wüste) in Rajasthan, Indien.
Jaisalmer ist auch als „die goldene Stadt“ bekannt, da zahlreiche Häuser und Tempel des Kastells und der Stadt darunter aus fein gemeißeltem, gelblichem Sandstein gebaut sind.
Wir kamen aus einem bestimmten Grund hierher, und zwar, um etwas Zeit mit einem lokalen Stamm in der Thar-Wüste zu verbringen. Unser Ziel ist es, die Schwierigkeiten, mit denen sie tagtäglich tief in der Wüste konfrontiert sind, wirklich verstehen und nachempfinden zu können.
Es ist Nacht. Es kommen viele Leute auf uns zu und wollen, dass wir in ihren Hotels absteigen. Müde und erschöpft wählen wir einfach irgendeines aus, steigen in die Autorikscha, erfreuen uns an der erfrischenden Brise und landen in einem Hotel vor dem Fort.
Am nächsten Morgen wechseln wir das Hotelzimmer und ziehen in ein Gästehaus im Fort, dessen Besitzer ein gewisser Herr Pa ist. Nachdem wir das Fort ein wenig erkundet haben, mieten wir ein Motorrad und fahren durch die Gegend, um ein Dorf zu finden, in dem wir unser kleines Projekt durchführen können. Wir haben nicht erwartet, dass dieses Unterfangen ziemlich kompliziert werden würde.
Kurz nachdem wir die Stadt verlassen haben – nach ca. zwanzig Minuten Fahrzeit – befinden wir uns auf einer geraden Strecke, umgeben von der endlosen Wüste. Es muss um die 40°C heiß sein. Die Sonne glüht. Etwas verzweifelt halten wir an einem kleinen Stand an und kaufen uns zur Erfrischung gekühltes Wasser in einer Flasche sowie ein paar Kekse für die streunenden Hunde, die uns mit schönen, großen Augen anschauen. Wir wollen den Ladenbesitzer fragen, ob er uns ein Dorf empfehlen kann; aber ungeachtet der Tatsache, dass Hindi die Landessprache in Indien ist, sprechen es nicht alle. Also fällt die Kommunikation ein wenig schwer.
Nach fünf Minuten Fahrt entdecken wir rechts von uns einen kleinen Pfad, der zu einem Dorf führt. Wir riskieren es und nehmen diese Route. Die Leute sehen uns kommen und laufen sofort auf uns zu. Da stehen nun etwa fünf bis sechs Kinder verschiedensten Alters und eine Frau. Die Kinder sind sehr aufgeregt, versammeln sich um unser Motorrad und hüpfen auf und ab. Anfangs scheint die Situation sehr erfreulich, aber das ändert sich schnell: Sie fragen nun nach meinen Silberringen und versuchen, sie mir von den Fingern zu reißen. Wir fühlen uns nun doch ein wenig unwohl. Und da wir sowieso nicht mit ihnen kommunizieren können, beschließen wir, den Ort wieder zu verlassen. Als wir losfahren wollen, beginnt ihr Hund, böse zu werden; obwohl ein Kind das Tier festzuhalten versucht, gelingt es ihm dann doch, sich zu befreien und uns wie verrückt zu jagen. Obwohl ich Hunde liebe, bekomme ich es nun mit der Angst zu tun. Er scheint nämlich wirklich außer Kontrolle geraten zu sein. Also beschleunigen wir das Motorrad so schnell wir können und schaffen es irgendwie, zu entkommen. Auf der Hauptstraße angelangt, nehme ich dann gleich einmal meinen Schmuck ab. Und nun geht die Suche weiter.
Wir fahren die Straße entlang und können wenig später ein weiteres Dorf erkennen. Davor stehen ein paar Ziegen und Kamele und fressen gerade. Ich nehme meine Kamera und schieße ein paar Fotos ob des schönen Anblicks. Mit großer Hoffnung betreten wir nun dieses Dorf, aber es scheint irgendwie sehr verlassen zu sein; niemand befindet sich in der Nähe.
Diesmal fahren wir etwas länger und sind nun in der Tiefe der Wüste angelangt. Wieder sehen wir zu unserer Rechten ein Dorf. Wir fahren hin. Sofort scharen sich die Leute dort um uns. Ein Mann verrät uns, dass dies ein sensibles Gebiet sei, da die Straße zur Grenze von Pakistan führe, und er fragt uns nach unserem Reiseziel. Plötzlich kommen immer mehr Menschen und sprechen laut in einer fremden Sprache. Der Ton scheint etwas hart und der Körpersprache zufolge sind sie nicht wirklich mit unserer Anwesenheit zufrieden. Und weil sich die ganze Situation einfach nicht gut anfühlt und wir nicht von so vielen Menschen umgeben sein und dort gar festsitzen wollen, gehen wir wieder.
Diesmal ist es endgültig vorbei mit unserem Enthusiasmus. Enttäuscht fahren wir wieder zu unserem Gästehaus nach Jaisalmer zurück. Dabei dürfen wir aber die malerischste und roteste Sonne hinter uns untergehen sehen.
Fortsetzung folgt …
Übersetzung Englisch-Deutsch: Anna Dichen