Alternative Energien und ihre Bedeutung für unsere Demokratie

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Meinung

Kann eine dezentralisierte und selbstorganisierte Energiegewinnung sowie deren vernünftiger Einsatz ein Weg in eine bessere Zukunft sein?

Die letzten 150 Jahre waren von der Nutzung fossiler Energie geprägt, die uns gesellschaftlich, zivilisatorisch und technisch einen nie dagewesenen Entwicklungssprung ermöglichte. Die Errungenschaften des scheinbar kostengünstigen und im Überfluss vorhandenen „schwarzen Goldes“ führten jedoch, wie wir wissen, zu  erheblichen Auswirkungen auf Natur, Mensch und Umwelt.

Die Sucht nach diesem „billigen“ Energieträger ließ Abhängigkeiten und geostrategisches Denken in einem bisher unbekannten Ausmaß aufkommen.

Unsere heutige Zivilisation ist geprägt von verschmutzter Luft, die weltweit Millionen Todesopfer pro Jahr1 fordert, sowie von weltumspannenden Begehrlichkeiten und systematischen Völkerrechtsbrüchen in Form von (üblicherweise als humanitäre Einsätze getarnten) Ressourcenkriegen2, die mit aller Brutalität geführt werden – sei es zum Zweck der Sicherung der Erdölquellen oder der dafür notwendigen Pipelinerouten und Infrastruktur. Wie vielschichtig verwoben dieses Thema ist, offenbarte bereits eine im Jahre 2005 bekannt gewordene strategische Neuauslegung der NATO3, in der unter anderem die „Verteidigung der Mitgliederinteressen im Energiesektor und die Sicherstellung der Ressourcen und Transportwege“4 festgelegt wird.

Energiepolitische Kurzsichtigkeiten

Alleine in Österreich wird jährlich im Durchschnitt Erdöl5 im Wert von etwa vier Milliarden Euro aus meist politisch instabilen und von Kriegen gebeutelten Gegenden wie Libyen und dem Irak importiert. Auch Nigeria ist Teil der Importkette – mit seiner verheerenden umweltpolitischen und menschenrechtlichen Lage. Etwa 80% des importierten Öls wird für den Verkehr eingesetzt. Des Weiteren subventioniert Österreich6 fossile Energieträger mit noch einmal etwa vier Milliarden Euro jährlich, was zu einer deutlichen Verzerrung der Märkte für alternative Energieträger führt.

Wir forcieren und zementieren damit ein System, das am Ende nur wenige „Gewinner“ hervorbringt und einen ganzen bewohnten Planeten zum Verlierer macht.

Mit Smart Grids zu mehr Eigenverantwortung, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung bei der Energieerzeugung und Nutzung

Einer der wenigen Vorteile fossiler Energieträger wie dem Erdöl ist die enorme Energiedichte. Eine zukünftige post-fossile Energiewirtschaft muss sich dieser Herausforderung stellen. Zum Vergleich: In einem Liter Benzin bzw. Diesel stecken, sehr grob formuliert, etwa neun Kilowattstunden Energie. Die derzeit in Elektroautos verbauten Akkus mit der größten Kapazität haben etwa 60 kWh (beim meistverkauften E-Auto, dem Nissan Leaf, sind es unter 30 kWh), was, auf einen Verbrennungsmotor umgelegt, einer Tankfüllung von etwas über sechs bzw. drei Litern entspricht.

Die enormen Effizienzvorteile eines E-Autos können diese geringe Energiedichte jedoch teilweise kompensieren. Moderne E-Autos kommen auf einen Verbrauch von etwa 21 kWh auf 100km, was etwas über zwei Liter Treibstoffverbrauch entspricht.

Um die E-Mobilität auch praxistauglich zu machen, müsste ein dichtes, weitläufiges elektrisches Netz für Ladestationen errichtet werden. Das ist der Moment, in dem die sogenannten Smart Grids ins Spiel kommen. Smart Grids sind, wie der Name schon sagt, intelligente Distributionsnetzwerke für elektrische Energie.

Solche Netzwerke sind, im Vergleich zu den bisherigen, auf dezentrale und auch private Energieerzeugung und -nutzung ausgelegt. Da große Teile der erneuerbaren Energien, wie Solar- oder Windkraft, natürlichen Schwankungen unterliegen, muss dieses Netzwerk für Lastenausgleich sorgen. Herrscht beispielsweise in einem Teil des Landes Windstille, während die Windintensität an anderer Stelle exzessive Energiegewinnung ermöglicht, so sorgt das System für einen Lastenausgleich.

Sehr vereinfacht gesagt trägt mein in Wien an das Smart Grid angeschlossenes Solarpanel dazu bei, dass ein E-Auto-Fahrer in Eisenstadt sein Fahrzeug aufladen kann und umgekehrt.

Vorstellbar wäre es, jede erdenkliche Art der Energieerzeugung stets der gesamten Gesellschaft zugute kommen zu lassen – sei es die Solaranlage auf dem Dach, das Windrad im Garten, das Kleinkraftwerk am Fluss oder die Biogasanlage im Hof. Somit wäre es möglich, den Energiesektor erheblich zu demokratisieren und sich von den zentralisierten monopolartigen Großerzeugern ein Stück weit unabhängig zu machen. Auch in der Stadt gibt es durchaus Potenzial zur Energiegewinnung. Es spricht wenig gegen eine Nutzung von Dachflächen für Solarenergie oder gegen das Anbringen von kleinen, neuerdings nahezu laut- und vibrationslosen Windgeneratoren an den dafür in Frage kommenden Plätzen. Selbst Glasfassaden können neuerdings durch transparente Solarzellen als Energieerzeuger genutzt werden.

Frankreich7 hat einen ersten Schritt getan und verordnet, dass alle neuen Gewerbebauten entweder mit begrünten Dächern oder alternativ einer Solaranlage ausgestattet sein müssen.

Die Vorteile einer derartigen Versorgung liegen auf der Hand: Die im Lande bleibende Wertschöpfung, Arbeitsplätze für die Erzeugung und Wartung der Systeme, mehr Unabhängigkeit von den Launen anderer Staaten und etwas mehr Abstand vom Verlauf geostrategischer Konflikte – um nur einige zu nennen.

Imperiales Rosinenpicken

Was wir im Westen betreiben, ist eine Art imperiales Rosinenpicken8. Wir wollen die Annehmlichkeiten genießen, die uns z.B. das Öl aus Krisenregionen bringt, ohne aber uns mit den gesellschaftlichen Auswirkungen unseres Tuns auseinanderzusetzen, wie man leider nur zu klar an dem Beispiel der aktuellen Flüchtlingsdebatte sehen kann. Durch die verheerende kapitalistische Ausbeutungslogik erschließen wir nicht nur gewaltsam fremde Ressourcen, sondern subventionieren diese Vorgehensweise auch noch, lassen Konzerne Hunderte Milliarden an Gewinnen erzielen und erlauben ihnen damit, ungeheure politische Macht aufzubauen.

Das System, das wir aufgebaut haben, ist in seinem Innersten menschen- und naturverachtend sowie zutiefst undemokratisch. Auto tanken, Wohnung heizen und in den Urlaub fliegen – ja, bitte! Menschen, die unter unserem Energiehunger in Form von Kriegen, Diktaturen und dem Klimawandel leiden, wollen wir jedoch nicht, oder im besten Falle widerwillig bei uns „durchfüttern“

Wir müssen als Gesellschaft an einem Strang ziehen, denn von der Politik wird alles nur extrem zögerlich angepackt. Wenn man sich die Verstrickungen von Politik und Konzernen, gerade und vor allem im Energiebereich, vergegenwärtig, muss man erkennen, dass aus dieser Richtung wenig zu erwarten ist. Nicht umsonst sitzen Politiker im Anschluss an ihre demokratische Karriere als „Berater“ in höheren Rängen multinationaler Energieriesen. Spätestens die „Dieselgate“-Affäre brachte die Maske einer funktionierenden Demokratie, die im Sinne der Bürger entscheidet, endgültig zu Fall. Es wird Zeit, uns ein Stückchen davon zurückzuholen.

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Electric_Web_(8729901057) Electric_Web_(8729901057) Thomas Soerenes CC BY 2.0