Antworten der Liste Gaza auf unsere Fragen zur Nationalratswahl

Politik

Ende August haben wir an alle bei der Nationalratswahl kandidierenden Parteien zehn Fragen übermittelt. Bis zum Redaktionsschluss haben Grüne, KPÖ, SPÖ, Liste Gaza, FPÖ, MFG, Keine von denen (Wandel) und NEOS geantwortet. Die Rückmeldung der Liste Petrovic erfolgte im Rahmen eines Podcasts. Diese Antworten veröffentlichen wir Tag für Tag vom 17.9.24 an. Von der Bierpartei kam der Verweis auf deren Wahlprogramm und Videos.

Hier die Antworten der Liste Gaza:

Welches Gehalt sollten Politiker Ihrer Meinung nach verdienen? Ist es aus Ihrer Sicht legitim, zusätzliches Einkommen zu erzielen und wenn ja, in welcher Höhe?

Politiker:innen sollen ein Einkommen erhalten, dass es ihnen ermöglicht, ihre Aufgabe als Repräsentant:innen der Bevölkerung unabhängig wahrzunehmen. Dieses Gehalt sollte den Lebensbedingungen der Gesamtbevölkerung entsprechen. Politiker:innen sollten von der Notwendigkeit von Zuverdiensten befreit sein, zusätzliche Einkommen sollten nicht vorgesehen sein, da dies der politischen Verantwortung widerspricht. Eher sollten Politiker:innen von ihrem Gehalt angemessene Summen Einrichtungen des öffentlichen Wohls zukommen lassen. In Österreich vertreten die Politiker:innen im Nationalrat eine Schweige- und Gutheißungspolitik zum Völkermord in Gaza. Das ist für uns nicht hinnehmbar. Schon gar nicht, wenn dieses Verhalten mit den Möglichkeiten fürstlicher Gehälter einhergeht.


In der sogenannten Corona-Krise hat das Vertrauen in die verantwortlichen Politiker und das politische System bei vielen Menschen drastisch abgenommen. Welche Möglichkeiten sehen Sie, dieses wiederherzustellen und welche Schritte sind zur Aufarbeitung dieser Zeit (noch) zu setzen?

Wir sind eine Liste, die als Protestaktion angetreten ist, und wir repräsentieren verschiedene Personen und Bewegungen und gesellschaftliche Bereiche sowie politische Konzepte. Einigkeit besteht in Bezug auf unser Kernwahlprogramm (https://gaza.vote/10-punkte-forderungsgprogramm). Diesbezüglich sehen wir auch die Entwicklungen während der sogenannten Corona-Krise als symptomatisch für einen Zug in Richtung autoritären Regierens, Meinungsdiktat im politisch-medialen Apparat und für Entdemokratisierung (Aufhebung der Grundrechte) an. Am deutlichsten wird das unserer Ansicht nach am Völkermord in Gaza und die Unterstützung des offiziellen Österreichs dafür. So lange immer mehr Menschen in Österreich sich ohne demokratische Mitsprache- und Mitgestaltungsmöglichkeiten sehen und erleben müssen, so lange wird der Glaubwürdigkeitsverlust des politischen Systems anhalten. Um das Vertrauen wiederherzustellen, müssen die demokratischen Partizipationsmöglichkeiten wiederhergestellt werden. Erst dann kann die Glaubwürdigkeit in die Repräsentanz wieder hergestellt werden. Als Liste GAZA repräsentieren wir die vielen, vielen Menschen, die schweigende Mehrheit in Österreich, die nicht teilnehmen wollen an einem Völkermord. In Bezug auf die Corona-Zeit sind die undemokratischen Entwicklungen dieser Zeit unbedingt aufzuarbeiten.


Wie wollen Sie die vom Verfassungsgerichtshof aufgehobene Regelung zum „Bundestrojaner“ verfassungsgemäß gestalten und wo sind für Sie die Grenzen der Überwachung der Bürger?

Die Überwachung der Bürger:innen dienen nur vorgeschoben Sicherheitsinteressen. Wir von Liste GAZA sehen uns als die eigentlichen Schützer der Verfassung im Gegensatz zum sogenannten Staatsschutz. In der Solidaritätsbewegung mit Palästina konnten wir erleben, wie Repression in Österreich arbeitet, mit Hunderten Anzeigen, Zensur, Diffamierungen, Ausgrenzung, Verschweigen und Kriminalisieren, mit der Aushebelung von Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Und vieles davon musste dann auf der Grundlage von Gerichtsurteilen, also durch die Justiz, zurückgenommen werden. Wenn allerdings die Polizei Erfolg darin hat, dass sie nach dem politischen Willen der Regierenden über dem Recht steht, dann sind wir endgültig bei Polizeistaatlichkeit angekommen. Wenn vor der Wahl jetzt das antimuslimische Ressentiment hervorgekramt wird, um Überwachung zu rechtfertigen, dann spielen wir da nicht mit. Denn wir wissen, gegen wen sich diese Überwachung letzten Endes richtet: Gegen die Bevölkerung, wenn sie sich gegen das offizielle Narrativ demokratisch artikulieren will. Deshalb sind wir für Teilhabe und gleiche Rechte für Musliminnen und Muslime – gegen Feindbilder und Angstmache (z.B. Operation Luxor).


Wie stehen Sie zur Entscheidung einen „Nationalen Sicherheitsberater“ zu installieren und zur Erweiterung der Aufgaben des österreichischen Bundesheeres im Hinblick auf die Unterstützung der Polizei? Wie wollen Sie das Heer wie im sicherheitspolitischen Jahresbericht gefordert, „kriegsfähig“ machen?

Wir sind für eine Regierung der Neutralität und des Friedens. Wir wollen niemanden „kriegsfähig“ machen, indem Milliarden für Rüstung (z.B. Skyshield) ausgegeben werden. Stattdessen sollen diese Mittel für Soziales verwendet werden. Die Militarisierung der Gesellschaft und die Entwicklungen in Richtung Kriegswirtschaft lehnen wir ab. Am Beispiel des Völkermordes in Gaza zeigt sich das auch: Die österreichische Regierung übernimmt Israels Legende von der „Selbstverteidigung“ durch einen „Krieg gegen Hamas“ und unterstützt das, was offensichtlich vor den Augen der Weltöffentlichkeit ein Völkermord ist. „Niemals wieder“ muss für alle gelten. Die österreichische Regierung hat das offenbar vergessen.


Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die immerwährende Neutralität Österreichs und ist ein NATO-Beitritt für Sie vorstellbar oder gar notwendig?

Wir sind in aller Eindeutigkeit für eine Regierung der Neutralität und des Friedens, eines Friedens durch Gerechtigkeit. Für eine Regierung, die die Neutralität ernst nimmt und wiederherstellt, nachdem sie über Jahre ausgehöhlt und inhaltsleer gemacht wurde. Die Menschen in Österreich wollen die Neutralität. Die NATO ist ein Kriegsbündnis unter Führung der USA. Österreich soll seine Neutralität also stärken und der NATO fernbleiben, anstatt sich den USA und der EU unterzuordnen.


Welche Regeln wünschen Sie sich für eine menschenrechtskonforme Asylpolitik?

Wir sind gegen eine Politik der Angstmache, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Alle Parteien schweigen zu dem Völkermord in Gaza oder unterstützen ihn gar offen. Wir separieren die Asylpolitik nicht von der Frage der Integration. Da sind wir dafür, dass Menschen, die hier leben, arbeiten, Steuern zahlen, Teil der Gesellschaft sind und zu ihr beitragen, auch die Staatsbürgerschaft und politische Beteiligungsrechte bekommen sollten. Immerhin sind das in Österreich 1,5 Millionen Menschen. Die demokratische Beteiligung in Österreich ist ohnehin schon auf ein Minimum beschränkt. Die repressive Palästinapolitik Österreichs beweist es. Palästinenser:innen in Österreich sind zudem oft staatenlos, weil ihnen Asyl verwehrt wird. Eine menschenrechtskonforme Asylpolitik achtet darauf, dass die Menschen in Österreich die Möglichkeit bekommen können, beizutragen, zu arbeiten und Teil der Gesellschaft zu werden. Nicht darauf, auf deren Kosten und die Kosten der österreichischen Bevölkerung politisches Kleingeld zu schlagen, zu spalten und zu verhetzen und sich alles in Richtung Kriegsbeteiligung und der Ausschaltung von Demokratie absegnen zu lassen.


Welche Pläne haben Sie für eine Reform des ORF, vor allem im Hinblick auf die Besetzung des Stiftungsrates (Stichwort „Entpolitisierung“), die ORF-Gebühren und die Verhinderung politischer Interventionen?

Der politisch-mediale Apparat in Österreich verschweigt, zensiert, diffamiert und hetzt gegen die Solidarität mit Palästina, gegen das Eintreten für ein Ende des Völkermords in Gaza, gegen die demokratische Artikulation von Menschen in Österreich, die aus Menschlichkeit und Unrechtsbewusstsein handeln. Die einseitige Kriegspropaganda und Meinungsdiktat müssen deshalb, insbesondere im ORF beendet werden. Denn dafür sollen die Leute auch noch Gebühren zahlen. Wir stehen also für eine grundsätzliche Kurskorrektur im Sinne einer Demokratisierung. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist wichtig, aber bei der Politik ist etwas faul im Staate Österreich.


Welche Möglichkeiten und Notwendigkeiten zur Verbesserung des Gesundheitssystems sehen Sie?

Das Geld, das in Kriegshetze, Kriegswirtschaft und Rüstung investiert wird, soll im sozialen Bereich investiert werden, das umfasst die Gesundheit, aber auch Bildung und Wohnen etwa. In allen diesen Bereichen stehen wir für allgemeine Verfügbarkeit und Gleichheit. Auch das Gesundheitssystem soll einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortlichkeit unterliegen und nicht einer Marktlogik und einer Zweiklassenmedizin, die durch das politische System in Österreich vorangetrieben werden.


Wie wollen Sie das Sozialversicherungssystem (Gesundheitskassen, Pensionen) für die Zukunft sichern?

Das Sozialversicherungssystem ist ein System, das ein Höchstmaß an sozialer Sicherheit und Gerechtigkeit für alle bereitstellen soll. Es sollen in diesem Sinne Möglichkeiten geschaffen werden, dass Beiträge von den arbeitenden Menschen eingezahlt werden und diese dann auch für diese lebenslangen Leistungen eine entsprechende Versorgung genießen können. Das kann man erreichen, indem die Arbeitswelt gerechter gestaltet wird, anstatt die Menschen in Österreich in prekäre und schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse, unter eine Profitlogik zu zwingen, die angeblich alternativlos ist. In Österreich gibt es andererseits sehr reiche Leute und Konzerne, die kaum einen Beitrag leisten. Wir wollen eine Neuorientierung anregen.


Wie wollen Sie mit der kolportierten „Budgetlücke“ umgehen und welche Pläne haben Sie für eine nachhaltige Budget- und Fiskalpolitik?

Wir wollen keine Politik, die Völkermord beklatscht, die Stimmen dagegen unterdrückt, die Kriegstrommeln rührt und Milliarden für Rüstung verschwendet. Wir wollen eine Friedens- und Neutralitätsregierung, die sich für mehr soziale Gerechtigkeit starkmacht. Eine solche Regierung betreibt dann eine wirklich nachhaltige Budget- und Fiskalpolitik.

Von einer Budgetlücke wird immer nur dann gesprochen, wenn es um Sozailabbau geht. Wenn es um die Senkung von Steuern für Unternehmen geht, spricht niemand von „Budgetloch“. Dabei zahlt die Allgemei heit die Steuergeschenke an die Reichen. Mithin: wir haben kein Problem mit einer Budgetlücke zugunsten der Mehrheit. Wir haben ein Problem mit Autaritäspolitik wenn es um die Interessen der Mehrheit geht, und Spendierhosen, die sich nur für Großunternehmen öffnen.

Die Antworten der Liste Gaza trafen am 16.9.24 um 7.07 bzw. 7.22 Uhr in der Redaktion ein.

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Blog – E-Mail Antwort Liste Gaza – NRwahl-DE-IPHP Michael Karjalainen-Dräger CC BY-SA 4.0

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