Der Weisheit letzter Schluss – Die Welt steht auf kein‘ Fall mehr lang

Meinung

Ein kommentierender Wochenrückblick – KW 21/24

Vor knapp 200 Jahren im Jahr 1832 wurden von Astronomen gleich zwei Kometen angekündigt, einer davon sollte der Erde gefährlich nahekommen, ein Zusammenstoß schien möglich – zumindest im Volksglauben. Tatsächlich traf der angekündigte Wandelstern erst rund ein Monat später als die Erde an jenem Punkt ein, der eine Kollision bedeutet hätte. Inspiriert von dieser Kometenpanik der Weltbevölkerung schrieb der österreichische Dramatiker Johann Nestroy das „Kometenlied“ für sein Stück „Der böse Geist Lumpazivagbundus oder Das liederliche Kleeblatt“, das 1833 uraufgeführt wurde, in dem er die Weltuntergangsstimmung der damaligen Zeit verarbeitete. Befreit von aller religiöser Dimension, die einem Ende der Zeiten bislang zumeist innewohnte, konzentrierte er sich im Text, dem ich auch den Titel meines Wochenkommentars entlehnt habe, und in der Vorrede dazu auf astronomische Gegebenheiten. Nicht ganz allerdings, denn sein Schuster Knieriem, dem er die Worte in den Mund gelegt hat, vermischt darin die Naturwissenschaft mit der Astrologie.

Im Lauf der Weltgeschichte gibt es immer wieder Phasen, in denen das Ende allen Lebens, zumindest des Menschlichen, vorausgesagt und damit Angst geschürt wird. In meiner Kindheit herrschten die Auswirkungen des Kalten Krieges und die Angst vor dem „roten Knopf“, mit dem einer der beiden als Weltenherrscher titulierten Staatspräsidenten der USA bzw. der Sowjetunion einen todbringenden. alles vernichtenden Atomschlag auszulösen im Stande waren. In meiner Jugend und den Erwachsenenjahren waren es dann der Super-GAU im Atomkraftwerk Tschernobyl, das Waldsterben, der Treibhauseffekt und das Ozonloch. Immer wieder mal wurde eine potentielle todbringende Seuche angekündigt, der Vogel- und der Schweinegrippe folgte letztlich das Ausrufen der „Corona-Pandemie“, die die Welt und die Menschen beinahe drei Jahre in Atem hielten.Auch die Weltwirtschaft drohte immer wieder mal zusammenzubrechen. Diese Aufzählung ist bestimmt nicht vollständig, denn sie enthält nicht die vielen persönlichen Ängste vor Krankheit, finanziellem Ruin oder Tod. Und genau jene Ängste sind es, die uns manipulierbar machen und uns die Freude am Leben zu nehmen in der Lage sind.

So betrachtet ist mein wöchentlicher Rückblick auf das Weltgeschehen in seiner Wirkung wohl immer eine Gratwanderung zwischen möglichen Untergangsszenarien und Perspektiven, die dennoch vorhanden sind und die gefunden werden wollen. Ich wage trotzdem auch diesmal, kurz nach dem 162. Todestages Nestroys am 25.Mai 1862, einen Blick auf die Umtriebe auf unserem blauen Planeten, mit der Zuversicht, dass sich letztendlich doch wieder positive Sichtweisen aufspüren lassen.

Die Sorge um die Zukunft hat drei Staatspräsidenten, nämlich jene von Deutschland, Italien und Österreich „zur Feder greifen“ und einen Offenen Brief an die Bevölkerung dieser drei Länder schreiben lassen. Darin wünschen sie sich, dass die Wähler bei den in Kürze bevorstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament den aus ihrer Sicht demokratischen Parteien der Mitte den Rücken stärken und die Ränder links und vor allem rechts außen vor lassen. Da dieser Brief alleine wohl weder die Wahllust stärken, noch zum von ihnen erhofften Effekt führen wird, habe ich mir erlaubt in meinem Blog ein Antwortschreiben zu verfassen, in dem ich eine tiefergehende Analyse der Problematik versuche und den einen oder anderen Lösungsvorschlag mache.

Meine Kollegin in der Redaktion von Idealism Prevails (IP), Isabel Lochbühler, hat gemeinsam mit mir Fragen ausgearbeitet, die wir den österreichischen Spitzenkandidaten für die EU-Wahl zur Beantwortung vorgelegt haben. Auch darin geht es um Zukunftsaussichten, die zum einen Menschen motivieren sollen, zur Wahl zu gehen, und zum anderen eine Hilfestellung bei der Entscheidungsfindung geben sollen. Wir warten gespannt auf die Antworten, die wir dann noch rechtzeitig vor dem Wahltag veröffentlichen werden.

Apropos Wahlen: Der britische Premier Rishi Sunak hat angekündigt, die Wahlen im Vereinigten Königreich schon am 4. Juli abhalten zu lassen. Der Rückstand seiner Partei, der konservativen Torys, auf die sozialdemokratische Labour Party mir Parteiführer Keir Starmer beträgt rund 20 Prozentpunkte. Fast könnte man meinen, der Torychef wollte das Hoffen und Bangen seine und die Zukunft seiner Partei betreffend nicht noch länger hinauszögern und hat sich deswegen für ein „Do or Die“ entschieden. In der IP-Redaktion arbeiten wir gerade daran, eine Podcast-Reihe zu den britischen Wahlen vorzubereiten, um unsere Audience über die Besonderheiten des Wahlsystems und der politischen Konstellationen im Königreich zu informieren.

Was uns in Österreich sicher näherliegt, sind andere Themen.

Zum Beispiel die Möglichkeit der Kandidatur einer weiteren Liste bei der Nationalratswahl. Nachdem kürzlich Madeleine Petrovic in den politischen Ring zurückgekehrt ist (ich habe dazu in den Vorwochen berichtet), schließt nun auch ÖVP-Urgestein Othmar Karas einen Antreten unter seiner eigenen Flagge nicht aus. Und der ehemalige ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner will zwar nicht nochmal ins politische Tagesgeschäft zurück, sorgte mit seiner Aussage, bei der EU-Wahl eventuell Helmut Brandstätter und die NEOS zu wählen aber für Aufsehen. Die Entfremdung von Parteien ist also nicht nur bei den Wählern Gang und Gäbe, sondern führt immer wieder auch Politiker auf vermeintliche „Abwege“. In Innsbruck ist es ja – wie vor einiger Zeit an dieser Stelle gemeldet – selbst soweit gekommen, dass der ehemalige ÖVP-Vizebürgermeister von seiner Partei geschasst wurde und mit seiner daraufhin gegründeten Namensliste sogar den Bürgermeistersessel gewonnen hat.

Auch der Streit um eine Zustimmung zum von der EU geplanten Renaturierungsgesetz hält so manchen in Atem. Während die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler sich weder vom türkis-schwarzen Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig noch von dessen Parteikollegen an der Spitze von sechs der neun Bundesländer an einem „Ja“ dazu hindern lassen will, sind zwei der SPÖ-Landeshauptmänner, nämlich jener aus Wien und der aus Kärnten, offenbar weich geworden. Abgesehen von einem problematischen Demokratieverständnis, das die grüne Ministerin damit an den Tag legt, wird eine von ihr gegen den mehrheitlichen Willen der in Österreich Zuständigen gegebene Zusage nichts dazu beitragen, dem Gesetz zu einer Mehrheit zu verhelfen. Zu uneinig ist man sich dabei bis dato auch auf europäischer Ebene. Das Grundanliegen ist verständlich, ist doch die fortschreitende Bodenversiegelung ein nicht zu vernachlässigendes Problem. Polemiken auf der einen (Klima, Klima über alles) wie auf der anderen Seite (Enteignung von landwirtschaftlichen Flächen) werden aber dem eigentlichen Thema, das einen breiten und offenen Diskurs allemal wert ist, nicht gerecht. Politik kann so unsachlich und destruktiv sein. Schade!

Der umtriebige österreichische Agrarminister hat auf EU-Ebene auch eine andere Initiative gesetzt. Gemeinsam u.a. mit seinem finnischen Amtskollegen tritt er für eine Herabsetzung des Wolfsstatus von „streng geschützt“ auf „geschützt“ ein und erfreut sich der Zustimmung der Landwirte in Österreich, die alljährlich den Verlust von Ziegen und Schafen zu bedauern haben. Der „Böse Wolf“ hat wieder Saison: ihm wird unterstellt, wie einst und durch zahlreiche Märchen verbrieft, eine Gefahr nicht nur für Nutztiere sondern auch für den Menschen zu sein. Tatsächlich kommt es aufgrund fehlerhaften Verhaltens unserer Spezies von Zeit zu Zeit zu brenzligen Situationen. Die Herdenhaltung und der zu geringe Herdenschutz stellen eine wesentliche Problematik dar, für die es allerdings Lösungen gibt. Es muss nicht immer ein noch höherer Zaun sein: auch Esel gelten als umtriebige „Schutzmacht“, denen Wölfe sich lieber nicht nähern. Wie auch immer: Die auch durch eine Herabsetzung des Schutzstatus erleichterte, aber keineswegs freigegebene Möglichkeit zum Abschuss von Meister Isegrim, ist eine einfach klingende und unter den Landwirten und Jägern populäre Lösung, die das Grundproblem aber keinesfalls beseitigen wird. Auch bei diesem Thema muss man sich einfach an die Ursachenforschung machen und nicht bloß an Symptomen herumdoktern. Es wäre dem Menschen zudem auch zuzumuten, sich als Teil der Natur und nicht als dessen Haupt oder gar Krönung zu verstehen. Mit diesem Bewusstsein hätten wir eine gute Basis um alles, was sich um Natur, Umwelt und Klima dreht, in Balance zu halten.

Krieg ist auch so eine Sache, die man auf seine Umweltverträglichkeit prüfen könnte. Vor einem Vierteljahrhundert stand ich an der Seite eines väterlichen Freundes, der auf Zypern, genauer gesagt in Famagusta, seinen Dienst als UNO-Soldat versah, verblüfft in der so genannten Pufferzone, die zwischen der von den türkischen Besatzern im Norden der Insel und der im Süden liegenden griechischen Zone errichtet wurde. Ungeachtet der von beiden Seiten errichteten Wachtürme und dem einen oder anderen noch nicht bereinigten Minenfeld hatte sich die Natur in überbordender Weise ursprünglich besiedeltes oder landwirtschaftlich genutztes Gebiet zurückerobert. Es herrschte eine wundervolle Fülle an Pflanzen und Tieren, die mich staunen ließ. Wie sich das in anderen Gegenden der Welt, in denen Krieg herrschte bzw. noch herrscht, dereinst auswirken wird, wage ich nicht zu beurteilen. Denn die destruktive Kraft bewaffneter Auseinandersetzungen ist sowohl für Flora und Fauna als auch für den Menschen absolut unverträglich. Der Natur wohnt aber offenbar einen Reparaturmechanismus inne, der unserer Spezies fehlt. Nachdem das An-die-Wand-Malen von Kriegsszenarien auch in Europa wieder salonfähig ist, machen wir gerade gefühlt einen zivilisatorischen Rückschritt. Die Waffenlobby wird es freuen. Freuen werden sich deren Vertreter auch über die Unterschrift der österreichischen Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, die kürzlich in Brüssel den Beitritt unseres Landes zum EU-Luftabwehrsystem Sky Shield besiegelt hat. Die Vereinbarkeit mit der immerwährenden Neutralität ist noch nicht restlos geklärt, eine Aufweichung derselben durch diesen Schritt wohl aber tatsächlich gegeben.

Internationale Organisationen stehen ja schon seit Längerem ob ihrer Nationalstaaten vereinnahmenden Vorgangsweise in so mancher Kritik. Die Weltgesundheitsorganisation WHO und das Weltwirtschaftsforum WEF sind klingende Beispiele dafür. Während der von ersterer geplante weltweite Pandemieplan aufgrund des Widerstands zahlreicher Mitgliedsstaaten nun doch nicht beschlossen werden konnte, gaben die Staaten zumindest „ihre grundsätzliche Zustimmung zu einer wichtigen und innovativen Reihe von Änderungen“ der Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV). Über die Inhalte und Änderungsvorhaben ist aktuell noch wenig herauszufinden, doch geht es vor allem darum, Maßnahmen in Gesundheitskrisen besser zu koordinieren. Diese Verschwiegenheit führt aber auch zu wilden Spekulationen, was der Sache nicht dienlich ist. Transparenz und Offenheit sollten – wenn man tatsächlich nichts zu verbergen hat – auf der Tagesordnung stehen.

Das gilt auch für den WEF, dessen mittlerweile 86-jähriger Gründer und bisheriger Geschäftsführer Klaus Schwab nun seinen Rückzug aus dem operativen Bereich ankündigte. Er wird seinem „Kind“ allerdings als Vorsitzender des Stiftungsrates erhalten bleiben und damit seinen Einfluss sicherlich weiter geltend machen. Dem von ihm propagierten Great Reset werden ja vor allem seit den Maßnahmen anlässlich der Covid-19-Pandemie die eine oder andere Ungeheuerlichkeit unterstellt. Die Frage nach dem „cui bono?“ sollte auch hier nicht übersehen werden, um sich ein klareres Bild über die möglichen Folgen machen zu können.

Problematisch ist bei beiden Organisationen ihr „privater“ Status als NGO – und das deswegen, weil sie mit ihrem Tun eine ganze Menge Einfluss auf die Staaten dieser Welt nehmen, ohne von der Bevölkerung demokratisch legitimiert zu sein. Obacht ist also in jedem Fall geboten, ohne zur Legitimation dafür ständig irgendwelche Horrorszenarien veröffentlichen zu müssen.

Der ganz und gar nicht politisch korrekte und sogar frauenfeindliche Johann Nestroy hätte wohl wenn er noch heute lebte auch kein Verständnis für das Verbot des Gigi D’Agostino Hits „L’amour toujours“, das nun in unserem Nachbarland Deutschland grassiert. Das Abspielen des Songs soll in Zukunft flächendeckend verhindert werden. Grund dafür ist nicht etwa ein anstößiger Text des Liedes sondern sein Missbrauch durch Proponenten der Neuen Rechten, die seine Musik mit fremdenfeindlichen und rechtsgerichteten Texten verunstaltet haben. Man kann dazu geteilter Meinung sein – der kruden Ideen dieser Bevölkerungsgruppe wird man mit einem „Quasi-Verbot“ aber sicher nicht beikommen. Und dem Songwriter und DJ tut man damit auch keinen Gefallen. Die Welt wird dadurch wieder ärmer, weil man sich auf diese Weise dem Diktat der Missetäter ausliefert, was kontraproduktiv ist. Spannend wird es sein, wenn D’Agostino mal wieder durch Deutschland tourt und seinen Song abspielen will. Aber das ist eine andere Geschichte und die wird die Zukunft erzählen.

Auch diese Woche kann man also wieder jede Menge Weltuntergangsstimmung verbreiten und sich das Leben vermiesen oder vermiesen lassen. Aber diesen Gefühlszuständen sollten wir uns nicht wirklich und vor allem nicht dauerhaft hingeben. Denn wie es der österreichische Publizist und Schriftsteller Egyd Gstättner einmal so schön anlässlich des 160. Todestages Nestroys formulierte: „Die Welt steht schon lang nicht mehr lang.“ Wir aber leben immer noch.

Dieses Paradoxon sollte uns Mahnung und Auftrag sein, es lieber mit dem römischen Dichter Horaz zu halten, der mit seinem geflügelten Wort „Carpe diem“ darauf verweist, dass es wohl eher darum geht, den Tag voll und ganz zu leben und zu genießen als wäre er der letzte. Ganz angstbefreit und voller Inbrunst, gleichsam in einer nicht nur hoffnungsfrohen sondern sogar zuversichtlichen Weltaufgangsstimmung.

Bildrechtelinks:

Klaus Schwab: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Klaus_Schwab_-_World_Economic_Forum_Annual_Meeting_2011.jpg

Flugabwehrraketen: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Patriot_missile_launch_b.jpg

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WG – 2024 KW21-DE-FB+IPHP Wolfgang Müller CC BY-SA 4.0
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