Hannes Hausbichler – Endlich! Ohne Vorurteile und Ideologien in die Zukunft (Zukunftskonferenz 2021)
Derzeit stünden dem, so Hausbichler, „parteiliche“ und „objektive“ Interessen im Wege.
Im „parteilichen“ Sinn führe die Vertretung von Einzelinteressen vielfach zu Gruppenegoismen, sie stünden permanent in Konkurrenz zu anderen Interessen, was zu Unterdrückung der Interessen anderer zugunsten der eigenen führen könne. Damit ergebe sich eine Machtansammlung, die letztendlich zu Machtkonzentration führe; es gelte also für einen Interessensausgleich einzutreten, um auf diese Weise Balance zu schaffen, so seine These. Im „objektiven“ Sinn herrsche etwa in der Justiz und bei den Medien mangelndes Verständnis für andere Positionen, Denkweisen und Lebensrealitäten, was zu uniformem Denken und Handeln aus Vorurteilen führe.
Das von ihm vorgestellte Instrument gegen Machtkonzentration geht auf die römische Republik zurück, die 500 Jahre Bestand hatte. Es gab dort Mechanismen der Machtbalance, um innere Konflikte zu überwinden. Mit Hilfe der Volkstribune, die aus der „Unterschicht der Plebejer“ gewählt wurden und die Vetomöglichkeit gegenüber den Entscheidungen des Senats hatten, wurde Partizipation ermöglicht, um das große gemeinsame Ziel, das vornehmlich militärisch war, nicht zu gefährden. Ebenso war eine Ansammlung von Ämtern unmöglich, die Regierung bestand aus zwei Konsuln, deren Amtszeit mit einem Jahr begrenzt war. Diese Vorgangsweise habe, so Hausbichler, auch große Staatsdenker wie Montesquieu und dessen Modell der Gewaltenteilung in Exekutive/Regierung und Legislative inspiriert. Durch Rousseau kam noch die Volkssouveränität dazu, heutzutage spreche man auch von den Medien als vierte Gewalt.
Kritisch sieht Hannes Hausbichler die Tatsache, dass dem Volk bei den regelmäßigen Volksentscheiden suggeriert würde, es stehe der Regierungschef zur Wahl. Tatsächlich aber wähle man Parteien und Volksvertreter, die dann über die Regierung und den Kanzler abstimmten. Es gelte daher mehr Bewusstsein für den hohen Wert der Gewaltenteilung zu schaffen, denn diese Vorgangsweise entspreche nicht der Gewaltenteilung im Sinne Montesquieus. Zudem dominierten Parteien die Ämter in allen Herrschaftsbereichen, so werden auch die Höchstrichter von der Regierung bestellt.
In seinen weiteren Ausführungen geht Hausbichler auf die Definition von Stereotypen und Vorurteilen ein. Vorurteile sind für ihn allmächtig, sie seien uns aber nicht bewusst und setzten sich gesamtgesellschaftlich fest. So passiere eine „Überbrückung der Gewaltenteilung und der Machtkontrolle“. Alle Beteiligten trügen dazu bei, die Richter, der Nationalrat, die Regierung und die Medien färbten durch ihr Vorurteil die Objektivität um und setzten die Machtbalance außer Kraft anstatt auf ein freies Spiel der Kräfte und einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs zu setzen. Als Beispiel nennt er die so genannten „Jim Crow-Gesetze“ in den USA, die nach dem Bürgerkrieg wesentlich zur Rassentrennung beigetragen haben und auf Stereotypen und Vorurteilen beruhten. Er geht auch auf das Urteils eines Richters ein, der einen antirassistischen Verfassungszusatz mit seiner Interpretation eines „separat but equal“ aushebelte. Damit wurde in den 1890er-Jahren bestätigt, dass die Rassentrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln legal sei, weil diese ja für alle nutzbar seien. Auf diese Weise entstünden Pseudogerechtigkeit und Gleichschaltung aller Kräfte.
Ideologien seien gefährlich für eine gerechte Zukunft, Hausbichler nennt Karl Popper und Karl Marx als Beispiele für Ideologiekritik. Auch Ideologien seien Menschen unbewusst, ein Ideologe zeige sich dadurch, dass er sich nicht auf Diskussionen einlasse, sondern andere mit anderen Sichtweisen persönlich bekämpfe. Ideologien entstünden, wenn eine gesellschaftliche Weiterentwicklung in sozialen Fragen anstehe und ein Reformstau bestünde. Die „Reformideebewegungen“ spalten sich dabei in kompromissbereite und Feindbilder erzeugende mit radikalen bzw. moderaten Methoden.
In weiterer Folge geht Hausbichler, um Beispiele für den Schaden zu nennen, den Ideologien anrichten, auf Vergangenes (Nationalismus, Faschismus, die Roten Khmer, Mao) und Gegenwärtiges (Benachteiligung von Vätern, die Zuschreibung häuslicher Gewalt vornehmlich zu Männern) ein.
Abschließend stellt er fest, dass Auswege aus Ideologien und Vorurteilen durch Offenheit, Aufgeschlossenheit, ein Hinterfragen der Stereotype und das Erkennen von Radikalität der Ideologien in den Anfängen sowie einen breiten Diskurs zu allen relevanten Themen zu finden seien. Vorurteils- und Ideologiefreiheit sei die Basis für eine gelingende Gesellschaft, so Hausbichler.
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Hannes Hausbichler | Wolfgang Müller | CC BY SA 4.0 |