Dr. Andreas Khol – Ein weltoffener Konservativer über sein Leben und die Politik

Politik

In der neuesten Ausgabe unseres Kitchen Talks ist Dr. Andreas Khol, einer der Grandseigneurs der österreichischen Politik, bei Alexander Stipsits zu Gast.

In diesem Interview spricht Dr. Khol über seine bewegende Familiengeschichte und erzählt wie er seine Kindheit in den 40er Jahren erlebt hat.  Er wurde 1941 in Bergen auf der Insel Rügen in die seit über 1000 Jahren in der Nähe in Bozen ansässige Familie Großfamilie Khol mitten in die Wirrungen des 2. Weltkrieges geboren.

Seine Eltern bemühten sich den Kindern soweit wie möglich eine schöne Kindheit zu ermöglichen und brachten Ihre Kinder von 1943 – 1947 in Gossensaß (Südtirol) bei der Tante unter. Andreas Khol ging in Sterzing zur Volksschule, wuchs als staatenloses Kind in Südtirol auf und erlebte sehr früh selbst was es bedeutet ein Flüchtling zu sein, als er 1947 über die Grenze am Brenner nach Tirol ging und dort von österreichischen Gendarmen in Empfang genommen wurde. 

1949 konnte die Familie für 3 Monatsbezüge die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben und sich in den folgenden Jahren in Innsbruck eine bescheidene Existenz aufbauen.

Andreas Khol verbrachte seine Kindheit und Jugend in Armut und erzählt aufrichtig wie er diese Zeit erlebt hat. Sein erstes eigenes Geld verdiente er sich im Sommer in Innsbruck als Reiseleiter und lernte bei dieser Beschäftigung auch seine heutige Frau kennen, die ihm später einmal sagte: „Du bist immer ein Reiseleiter geblieben“ was auch immer sie damit meinte….

Befragt warum er dem Sozialismus und Marxismus kritisch gegenüber stehe macht Dr. Khol klar, dass er die Leistungen der Sozialdemokratie in Wien (zb. die Wahrnehmung der Rechte der Arbeiter) von 1920 bis 1935 sehr schätzt, er jedoch mit der Gleichmacherei, die es seiner Ansicht nach im Sozialismus/Marxismus gebe nicht übereinstimmen könne.

Seine Weltanschauung beruht u. a. auf den katholisch inspirierten Naturrechten und einem Rückbezug zu Gott, den er in diesem Gespräch erklärt.

Der gläubige Christ stellt die Frage: „Bin ich ein Geschöpf der Rechtsordnung oder bin ich Gottes Ebenbild?“ und erklärt, dass ihn am Christentum eben u.a. die Gottesebenbildlichkeit des Menschen interessiert habe.

Für ihn habe die Menschheit um Christi Geburt dank des Glaubens zumindest kurzfristig große Entwicklungsschritte gemacht, er erinnert an die Abschaffung der Sklaverei, die temporäre Gleichberechtigung von Mann und Frau und die enorme Bedeutung von weiblichen Heiligen in diesem Zusammenhang, wobei die Menschheit weltweit in beiden Bereichen leider auch zwei Jahrtausende später noch nicht am Ziel angekommen sei.

Für den gläubigen Christen Dr. Khol hat der Mensch weiters angeborene Rechte in die der Staat nicht eingreifen dürfe: Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Eigentum. Das sind Rechte, die jedem als Person zustünden. Vor allem die Freiheitsdimension des Privateigentums, das für Ihn zu den unveräußerlichen Rechten gehöre, betont Dr. Khol.

Der studierte Jurist setzte sich aber immer auch für Reformen der Amtskirche ein, so startete er mit Dr. Erhard Busek und anderen eine Laieninitiative und setzte sich für die Weihe von Frauen zu Diakoninnen ein.

Dr. Khol deklariert sich als bekennender Europäer und erinnert an die historische Bedeutung des Benediktinerordens – „Ora et labora“, die über Jahrhunderte in Ihrem europäischen Netzwerk von Klöstern Menschen ausgebildet hätten und damit einen wertvollen Beitrag und eine gewaltige kulturelle Grundlage zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Kulturraums geschaffen hätten.

Das Ergebnis der Wahlen zum europäischen Parlament Ende Mai 2019 interpretiert Dr. Khol tendenziell positiv. Vor allem die gestiegene Wahlbeteiligung sei erfreulich, der von linkslastigen Medien herbeigeschriebene Durchmarsch der Rechten habe so kaum stattgefunden, vielmehr hätten die Grünen und Liberalen überraschend deutlich zugelegt.

Zur Einbindung der extremen Rechte(n) und rechter Parteien an der politischen Macht in der EU befragt erinnert Dr. Khol daran, dass die rechten Bewegungen in EU-Mitgliedsstaaten alle verschieden seien, teilweise zerstritten wären und dieser Aspekt in den Analysen zur EU-Wahl nicht ausreichend vorkäme.

Die Schwäche der EVP bei dieser EU-Wahl erklärt der weltoffene Konservative u.a. mit dem Wegbrechen der französischen Konservativen und der Entscheidung Macrons sich mit seiner Partei den Europäischen Liberalen (und nicht der EVP) anzuschließen.

Sehr harte Kritik übt Khol an den Tories, den britischen Konservativen, deren Selbstzerfleischung in den letzten 20 Jahren zuerst der EVP und mit dem Brexit nun auch Great Britain schwer geschadet habe. 

Bei der Verteilungsfrage führt Dr. Khol aus, dass der Gini-Koeffizient belege, dass es in Österreich eine relativ faire Vermögensverteilung gäbe, so bekämen 60% der Österreicher Sozialleistungen und für Ihn sei Österreich ein Land der sozialen Gerechtigkeit.

International müsse man differenzieren, so würde etwa in Frankreich die hohe Mehrwertsteuer vor allem die Armen treffen, die Berichte der UNO, die für Ihn generell eine segensreiche Institution ist, zeigen, dass man die Weltentwicklungsziele, die man sich bis 2030 vorgenommen habe, weitgehend bereits erreicht habe, die Weltwirtschaft und die Globalisierung hätten die Armut erfolgreich bekämpft und diese sei weltweit gesehen deutlich gesunken.

Die technologischen Entwicklungen & die Informationsrevolution im Internet bewertet Dr. Khol tendenziell positiv, verweist aber auf die enorme Bedeutung der Bildung, da man in der Schule die Werkzeuge des Denkens lerne und er regt eine kritische Mediennutzung an. Er selbst lese regelmäßig die deutsche „FAZ“, „Die Presse“, und den britischen „Economist“ und informiere sich auch als Senior regelmäßig online.

Die Kassandrarufe, dass der rasche Wandel Arbeitsplätze vernichten würde teilt er nicht, so gäbe es genügend Arbeit, diese gehe uns nicht aus, sie ändere sich nur und es gäbe zahlreiche neue Jobmöglichkeiten, wenn man den die Veränderungen als Chance begreift und nutzt.

Wie steht er zur Causa Prima der letzten Wochen, dem Klimawandel?

Wer den Klimawandel leugnet ist blind und taub und gefühllos“ und „natürlich trägt der Mensch zum Klimawandel bei“ macht Dr. Khol klar, wenngleich für Ihn der genaue Anteil, den der Mensch daran trage, schwer exakt zu quantifizieren sei, entscheidend sei aber der ausgelöste Bewusstseinswandel im Verhalten der Menschen (Umstieg auf Öffis, Fahrräder, Elektroroller, …)

Die Sensibilisierung, die nun dank der Klimawandeldebatte erfolgt, erinnert ihn an die gesellschaftlichen Auswirkungen der Debatte um den Sauren Regen in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, denn die Diskussion um den Sauren Regen hat zu wertvollen Luftreinhaltemaßnahmen geführt, auch wenn der Saure Regen den Wald schlussendlich nicht kaputt gemacht habe. 

Was man zum Klimaschutz sofort machen sollte ist Feuerwerke zu Silvester zu verbieten, da diese eine enorme Feinstaubbelastung bewirken würden. 

Zu den Krisenherden der Welt befragt macht Dr. Khol klar, dass bei der Betrachtung der Internationalen Ordnung Differenzierung sehr wichtig ist. So sei die europäische Uraggressivität, welche die Weltkriege verursacht hat, durch die Einigung Europas verschwunden („Europäer haben aus den vielen Kriegen gelernt„) und auch das Verhältnis EU-Russland wäre zwar Schwankungen unterworfen, einen Krieg mit Russland schließe er aber aus. In diesem Zusammenhang nennt Dr. Khol die Ukrainepolitik der EU als wesentlichen Fehler im Umgang mit Russland, da die EU bei der Ukraine zu schnell vorgegangen sei und damit Russland gegenüber zu weit gegangen wäre.

Dr. Khol sieht China als ambivalente Großmacht, die für Ihn aber keine kriegerischen Absichten hätte. Sorgen machen ihm aber der Nahe Osten und einzelne Länder in Afrika, wobei in Afrika genau differenziert werden müsse, da es auch sehr erfolgreiche afrikanische Länder gäbe.

Als ehemaliger Obmann des Seniorenbundes sieht Dr. Khol den Generationenvertrag nicht gefährdet. Der mehrfache Großvater Khol erinnert an die freiwillige Umverteilung von Oma und Opa an die Enkel, sowie die Steuerleistung der Pensionisten, die auch den Jungen zu Gute käme. 

Konflikte zwischen Eltern und Kindern habe es immer und auch in allen früheren Generationen gegeben, nachdenklich stimme ihn aber die zunehmende Zahl der verhaltensauffälligen Partnerschaften zwischen Erwachsenen die Kinder haben, die mit dazu führen würden, dass der sichere Hafen Elternhaus sich stark verändere. 

Khol appelliert an das Gefühl der Verantwortungsbereitschaft der mittleren Generation und an die Jugend selbst, die in Österreich großartige Chancen habe sich aus- & fortzubilden, da die Ausbildung, verglichen mit vielen anderen Ländern großartig wäre und de facto nichts koste. In Österreich könne jede/r Jugendlicher seines Glückes Schmied werden, die Angst vor der Zukunft sei unberechtigt und es zeige sich, dass die Jugend auch politisch überall im Vormarsch ist und auch bereits politisch Verantwortung übernommen habe, nicht nur in der ÖVP, sondern auch in anderen Parteien.

Abschließend angesprochen auf sein enttäuschendes Wahlergebnis als Kandidat der ÖVP bei der Bundespräsidentenwahl 2016 überrascht Dr. Khol mit der Aussage, dass die Zeit seiner Präsidentschaftskandidatur – vom Jänner bis zum April 2016 – die schönste Zeit seiner politischen Karriere gewesen ist, da er in diesem Wahlkampf zahlreiche sehr berührende und für ihn schöne Begegnungen mit vielen Menschen hatte.

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Kitchen Talk – Andreas Khol Wolfgang Müller CC BY SA 4.0