Mensch, mach‘ Pause!
Was ist los?
- Brexit, der gewünschte Austritt aus der EU, oder war es nur ein „Betriebsunfall“ einer direkten Demokratie?
- Nizza, der Amoklauf eines Irren, oder doch ein islamistischer Anschlag?
- Der hilflos wirkende Putsch in der Türkei, oder hat Erdogan da einen Umsturzversuch nicht behindert, weil er genau wusste, dass er ihn mit Leichtigkeit niederschlagen kann?
- München, bei dem zu Anfang drei IS-Terror-Attentäter vermutet wurden – und sich die Informationslage binnen eines Tages in einen „bloßen“ Amoklauf eines gemobbten Schülers verändert hat.
Neuigkeit jagt Neuigkeit. Was ist los auf dieser Welt? Dennoch ist, wenn wir genauer hinsehen, nicht wesentlich mehr los als vor zehn Jahren. Es hat sich nur unsere Wahrnehmung auf das Weltgeschehen verändert.
Als MySpace 2003 seine Geschäftstätigkeit aufnahm, da war es der Startschuss für Millionen Menschen, das Internet zu bevölkern. Die Ära der Netizen (Internetbewohner) – die Netzbürgerschaft begann.
2003 hatte dann ein gewisser Zuckerberg die geniale Idee, dass man Menschen gegenseitig bewerten lassen könnte. – Facebook – and they like it.
Das ist vergleichbar mit dem „gegenseitigen Lausen der Affen“ in Sachen sozialer Interaktion. – Das Web 2.0 war geboren.
Im Jahr 2006 wurde das erste Mal gezwischert im Medienwald. Das Medium für den Instant-Journalismus war geboren. Hunderte Millionen Menschen folgten weiteren hundert Millionen Menschen und teilten deren Tweets sofort wieder weiter. Und weiter. Und weiter. Ein Ereignis das irgendwo auf dieser Welt passierte, ist in Sekunden überall bekannt. Wenn man sich mal anschaut, wie schnell sich ein Hashtag ausbreitet, der gerade im Trend ist, dann wird einem der Begriff „Flächenbrand“ vor Augen geführt.
Und wie es mit allem ist, was als Erfindung in die Welt gesetzt wird, wird weiterentwickelt: Nicht Twitter selbst, die 140 Zeichen, die analog einer SMS die Nachrichten verbreiteten, aber die Nutzung dieses Mediums. Journalisierende überall auf der Welt sind ständig darauf bedacht, nur keinen Trend zu verpassen. Never forget:
Die Lesenden in den Online-Zeitungen warten sehnsüchtig auf den nächsten „heißesten Scheiß“.
So ist es wahrlich kein Wunder, dass im Laufe der Jahre in den Online-Redaktionen die Schnell(leb)igkeit immer mehr zugenommen hat, bis sie jetzt im Jahr 2016 in rasender Geschwindigkeit abgearbeitet werden muss. Daher bleibt auch keine Zeit mehr für vernünftige Nachrecherchen. Selbst seriöse Auslandskorrespondenten twittern, wenn es in ihr Weltbild passt, schon mal Fakenachrichten von Spassvögeln als reale Tatsachen. (Inzwischen hat ihn wieder gelöscht)
Tweets sind wie Vögel: Einmal freigelassen, fliegen sie hinaus in die weite, weite Welt und lassen sich nicht mehr zurückholen.
Wir alle, die wir bei Twitter sind, machen da aber mit! All die Journalisierenden, die diese Neuigkeiten sofort aufgreifen und dann letztlich in ihren Online-Zeitungen als Fakten präsentieren. Sie verbreiten damit massenhaft unkorrekte Meldungen, die sie hernach wieder zurückziehen müssen. Was dann oft nur noch sehr verschämt und im Stillen passiert.
Die Falschmeldung selbst bleibt aber im Kopf der Menschen zurück.
Alles muss rasch passieren – bis hin zu den Nachrichten im Fernsehen. Neu-Gier macht sich breit. Eine der grundlegenden, negativen Eigenschaften des Menschen hat nun endlich eine Plattform gefunden. Sehr viele von uns gieren nach der nächsten Sensation. Gleichzeitig erhöht sich dadurch das Gefühl, dass die Welt aus den Fugen gerät. Dass alle verrückt werden und wir kurz vor der Katastrophe uns befinden. Was dann in dem Drang gipfelt keine aktuelle Entwicklung mehr verpassen zu wollen, auch wenn man diese nicht mehr beeinflussen kann. „Ich kann nicht schlafen gehen, bevor ich nicht weiß, wie das ausgeht“.
Nein, die Welt zerfällt nicht gerade. Es ist auch keine total außergewöhnliche geschichtliche Epoche, in der wir leben. Keine Apokalypse steht bevor.
Allein, Fakt ist, dass wir permanent überall mitmischen wollen – und das macht uns langsam verrückt. Wir teilen alles, was uns als richtig erscheint, sofort weiter. Viele von uns, ohne auch nur die genannte Quelle einmal zu untersuchen ..
Und daher möchte ich mir und Euch allen, die Ihr Informationsjunkies wie ich seid, eine Empfehlung schenken:
„Mensch, mach‘ Pause!“
Ich habe das bereits schon einmal gemacht und es genossen. Als Christ habe ich sogar ein Gebot dazu, einen Tag auszuspannen, 24 Stunden als Ruhetag zu nutzen, um abzuschalten. Sonntag ist bei mir internetfrei. Die Welt normalisiert sich an diesem Tag für mich wieder ein klein wenig. Wir begegnen einander wieder ab Montag! Meine Vermutung ist, dass ich auch diesmal wieder nichts Wesentliches verpassen werde ..
Einen schönen ruhigen Sonntag Euch allen!
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Macaca_fuscata_meditation | Daisuke tashiro | CC BY-SA 2.0 |