Die Vorbereitungen – endlich geht es los!
Als ich noch ein kleines Mädchen war, brachte mir mein Herr Papa immer wieder Schmuck aus dem Ausland als Präsent. Das hat mich stets in einen Zustand der Aufregung versetzt, und ich fragte mich immer: Wie sind die Menschen dort, wo der Schmuck herkommt? Wie leben sie? Wie ist ihre Kultur?
Ich wollte alles wissen und beschäftigte mich gedanklich sehr oft damit, wie so ein Alltag dieser Leute in der Ferne wohl so aussehen könnte.
Eines Tages brachte mein Vater mir eine Halskette mit mit einem Anhänger: mit einem Buddhisten, der betete, aus Yakknochen. Als Kind ekelte es mich ein wenig, dass Yak aus Knochen bestand. Jetzt weiß ich auch, dass „Yak“ ein Tier ist, welches sich in der Himalaya-Region bewegt und als Nutztier für Transporte dient, da es sehr niedrigen Temperaturen strotzen kann.
Da war was rund um diese Kette, das mich besonders faszinierte. Je mehr ich sie betrachtete, desto stärker spürte ich das Verlangen, ihre Wurzeln und die Schönheit des Himalayagebietes zu erforschen, die ich mir in meiner Phantasie vorstellte. Damals noch schien es mir bloß ein Traum, der viel zu weit in der Ferne zu liegen vermochte …
Wir schreiben 2016 und ich verwirklichte meinen Traum!
Somit beschloss ich, den höchsten Berg der Welt zu erklimmen: den Mount Everest mit seinen 8.848 Metern. Er befindet sich im Solukhumbu District, in Nepal. Kurz vor diesem Trip erst realisierte ich, dass es nun so weit war, und in mir machte sich pure Aufgeregtheit breit. Die Gefühle bestanden im Mix aus Angst und purer Freude!
Es galt, herausfinden, wieviel diese Unternehmung überhaupt kostet. Zuerst fand ich nur überbezahlte, organisierte Touren, die sich über einen Zeitraum von zwei Wochen erstreckten und zwischen 1.400 und 1.700 Dollar teuer waren.
Da Reisen meine Passion ist und ich noch weiterhin viel in meinem Leben erkunden möchte, ist es für mich wichtig, die Reisekosten so gering wie möglich zu halten. Aus vorangegangenen Reiseunternehmungen lernte ich, dass es immer eine noch billigere Reise-Option gibt. Man muss nur genauer schauen. Und dann findet man was. Am besten ist es, abseits der Massenangebote zu suchen – und einen völlig neuen Weg einzuschlagen. Auf diese Weise ist es auch sehr wahrscheinlich, etwas Einzigartiges und Besonderes zu erleben. Also machte ich mir die Mühe, tiefer zu graben und weiter zu suchen.
Nach einiger Zeit schaffte ich es, einen privaten Guide zu finden (Kostenpunkt: 20-25 Dollar pro Tag für eine ganze Gruppe) sowie vier weitere Gleichgesinnte auszukundschaften, die an derselben Reise interessiert sind. Diese fand ich im Web unter http://www.trekkingpartners.com/.
Nun buchte ich meine Flüge – one-Way-Tickets – und begann herauszufinden, was man dafür alles bräuchte und mögliche Schwierigkeiten zu eruieren, wo alles startet etc. Je mehr ich in die Materie tauchte, desto mulmiger wurde mir zumute: Wie wird mein Körper denn reagieren in derartigen Höhen? Würde ich an AMS (Altitude Mountain Sickness) Symptomen leiden? Werde ich das Ziel überhaupt erreichen, das ich mir vornehme? Es schossen mir viele Fragen durch den Kopf. Den höchsten Punkt, den ich nämlich jemals erreichte, war der Latemar Berg in Südtirol, und der ist 2.842 Meter hoch.
Im Zuge weiterer Recherchen erfuhr ich, dass Lukla der bewährteste Punkt ist, um das Everest Base Camp (EBC) zu erreichen. Doch der Flughafen gilt als der gefährlichste und beunruhigendste Flughafen weltweit, zumal die Landezeiten dort immer sehr kurz bemessen sind und die Flugzeuge eine Flughöhensteigerung von 12% vor der Landung bewältigen müssen. Der Flug von Kathmandu nach Lukla dauert zwar nur eine Stunde, ist aber besonders teuer: 150 Dollar. Ich habe etwas Flugangst, und deshalb schaute ich mich nach einer Land-Route um. Was mich an Land-Trips auch besonders fasziniert ist, dass diese eher unberührt sind. Und ich sah darin die Möglichkeit, mir die Reise etwas authentischer zu gestalten – abseits des Tourismus. Ich fand zwei Optionen: entweder in Salleri zu starten oder in Jiri. Um Salleri zu erreichen, benötigt es eine Fahrt über 15 Stunden mit einem Jeep (Kostenpunkt: 15-35 Dollar) von Kathmandu aus und weiters eine Wanderung von 3 Tagen nach Lukla. Jiri hingegen ist per Bus in einer Zeit von acht Stunden (8 Dollar) mit einer anschließenden Wanderung von 7 Tagen zu erreichen.
Wer von Jiri aus startet, folgt übrigens den Schritten von Sir Edmund Hilary und Sherpa Tenzing Norgay, die 1953 die allerersten waren, die den Mount Everest bestiegen.
Also verließ ich Europa an einem Samstag Nachmittag und erreichte Kathmandu an einem Sonntag Nachmittag. Ich reiste also insgesamt 24 Stunden. Es benötigte zwei Flüge, um billiger ans Ziel zu kommen – mit einem Zwischenstop von 12 Stunden am Flughafen in Dubai.
Einer meiner Freunde sollte mich in Dubai abholen, jedoch war das viel zu missverständlich vereinbart – ich gab nämlich einen falschen Tag an. Somit war die Abholung nicht möglich. Jetzt landete ich in einem Starbuck’s, in dem ich einen Kaffee nach dem anderen verschlang. Endlich war die Nacht vorbei und: Boarding-Time. Als ich so im Airport-Bus stand und mich mal umschaute, realisierte ich, dass ich Nepalesen zum allerersten Mal live vor mir stehen sah. Im Flugzeug war ich total streichfähig, und schlief ich die gesamte Flugzeit durch. Ich wachte erst auf, als der Flugzeugkapitän durch das Mikrophon verlautbarte, dass wir nun landen. Als ich aufwachte, wurde mir erst bewusst, dass wir über das Himalaya-Gebirge flogen. Ich wollte das unbedingt mit meinem Fotoapparat festhalten, aber dafür was es zu nebelig und man hatte eine schlechte Aussicht. Mein Nachbar im Flugzeug bemerkte, dass ich gerade aus einem sehr tiefen Schlaf aufgewacht sein musste und begrüßte mich mit den netten Worten: “Welcome to Nepal”. Sofort beschlich mich ein ungemein positives Gefühl in Bezug auf Nepalesen.
Das erste, was nach der Landung nötig war: ein Visa zu kriegen (das kostet 30 Dollar für 1 Monat, 100 Dollar für 3 Monate; und für einen Aufenthalt von mehr als 3 Monaten muss man zu einem späteren Zeitpunkt verlängern). Als ich das Flughafengebäude verließ, suchte ich nach nach dem Driver zum Gästehaus, den ich noch vor meiner Reise organisierte. Das war ja nun wirklich eine Challenge, da bereits 20 bis 30 Taxifahrer warteten und mir mit unterschiedlichen Papieren in ihren Händen zuwachelten. Jeder einzelne versucht dort eben sein Glück, um sich einen Fahrgast zu ergattern. Nun fand ich einen und wir fuhren nach Thamel (das kostete 500 Nepal Rupees = 5 Dollars). Thamel befindet sich im Herzen von Kathmandu und ist ein Touristengebiet, in dem sämtliche Trekking-Shops, Bars/Pubs sowie die Gästehäuser zu finden sind. Ich war ziemlich erschöpft, aber die Tatsache, sich in einem völlig neuen Land zu befinden und von komplett neuen Dingen umgeben zu sein, gab mir noch einen ordentlichen Adrenalin-Kick. Während der Taxifahrt beobachtete ich alles, was sich um mich abspielte. Mein erster Eindruck war gleich, dass Kathmandu eine Stadt ist, die sehr “busy” zu sein scheint, leider auch sehr verdreckt ist und sich der Verkehr enorm staut. Aber da war noch etwas anderes, was mich faszinierte. Die vielen Farben, die Häuser, die Busse, die Frauenkleider und die Gebetsfahnen, die nur so im Winde flatterten. Inmitten des gesamten Chaos erblickte ich auch einige Baustellen, die wegen wegen des Erdbebens von April 2015 existieren.
Als ich im Gästehaus angekommen war, wollte ich endlich ruhen, aber ich musste noch ein paar Sachen für die Wanderung besorgen: Tabs zur Reinigung von Wasser, eine Regenbekleidung, eine Wasserflasche etc. Ich merkte, dass es besser wäre, sich warme Bekleidung und einen Schlafsack auszuleihen, anstelle das Ganze zu kaufen – die Kosten für den Verleih beliefen sich nämlich auf ca. 70 Rupees. Nach der Shopping-Tour machte ich mich daran, meine Wander-Genossen zum Abendessen zu treffen: einen Inder, einen Amerikaner, einen Viatnamesen und einen Briten. Nun lernten wir uns zum allerersten Mal kennen und jeder schien sehr nett und aufgeregt zu sein.
Zurück im Gästehaus, war es schon 22:30 Uhr und ich wäre schon bettreif gewesen, aber NEIN: Ich musste ja noch meine Trekking-Tasche vorbereiten und das Tragegewicht so leicht wie möglich halten. Meine übrigen Sachen wurden während der Wanderung im Gästehaus aufbewahrt. Um 2 Uhr Früh war ich endlich mit allen Vorbereitungen fertig. Um 4:30 Uhr musste ich schon wieder aufstehen, weil uns das Taxi um 5:30 Uhr abholte für die Fahrt zur Jeep-Station. So konnten wir auch dem enormen Verkehrsstau entkommen. Im Endeffekt kamen wir aber doch erst um 8:00 Uhr Früh weg. Am Jeep-Hot-Spot versuchte man, so viele Leute wie möglich in einem Jeep unterzubringen – 11 Leute per Jeep. Rasch entschlossen wir uns dazu, ein bisschen mehr zu zahlen, um uns unseren eigenen Jeep zu ermöglichen. Das war es allemal wert!
Ich hoffte, dass ich wenigstens während der Fahrt ein wenig ruhen könnte – aber sehr bald musste ich feststellen, dass ich keine Chance hatte: Es war extrem heiß, es gab keine Klimaanlage, die Straßen waren holprig und kurvig und gehupt wurde auch dauernd. Auch musste ich mich daran gewöhnen, dass wir linksseitig fuhren – und nicht, wie bei uns in Italien, rechtsseitig – und jedesmal befürchtete ich, die Autos würden rechts auf uns zusteuern und uns aus der Bahn werfen.
Als ich nun aus dem Fenster schaute, um die schöne Aussicht zu genießen und dabei Nepalesische Musik hörte, wurde mir zum allerersten Mal wirklich bewusst, dass mein Traum, der mir doch immer so fern zu sein schien, nun wirklich wahr werden würde – und das erfüllte mich mit purer Freude! Alle Ängste und Zweifel, die sich noch vor dem Start der Reise breit gemacht hatten, waren wie magisch weggewischt.
Ich fühlte mich zuversichtlich und wusste, dass ich nun dort bin, wo ich hingehöre. Ich lächelte.
Obwohl das bereits mein zweiter Tag war, der ausschließlich aus dem Transport von einem zum anderen Ort bestand, genoss ich die Jeepfahrt richtig. Es erschien mir alles so abenteuerlich: Wir fuhren auf Pflastersteinen und im Dreck. Sogar Flüsse überquerten wir. Und die Kulisse war atemberaubend! Wir kamen an ländlichen Dörfern vorbei und bekamen so einen tollen Einblick, wie es am nepalesischen Land zugeht. Da sah man Kinder, die sich in Flüssen badeten, zur Schule gingen, Essen transportierten usw. Nun stoppten wir an einem Platz, um eine kurze Esspause einzulegen. Dort war die Mahlzeit so billig wie nie: Für nur 20 NPR bekam ich ein traditionelles Gericht bestehend aus Kichererbsen und Kartoffeln. Die dafür verwendeten Gewürze schmeckten vorzüglich – und ich verlangte nach mehr.
Um ca. 18 Uhr erreichten wir nun unseren Standort Salleri – bei Einbruch der Dunkelheit. Ich gab dem Jeep-Fahrer die Nummer unseres Guides. So wurde abgeklärt, wo der Treffpunkt stattfinden soll. Es benötigte 10 weitere Minuten, um zu einem Dorf namens Phallus zu gelangen. Der Jeep stoppte vor unserem Gästehaus. Unser Guide stellte sich mit dem Namen “Pasang Sherpa” vor und half uns beim Gepäcktragen. Wir verabschiedeten uns vom Jeepfahrer und betraten das Gästehaus. Mit einem Führer zahlten wir in etwa 1 Dollar für das Zimmer, während man oft gar nichts für eine Beherbergung zahlt, sofern man im Gästehaus isst. Der Raum, wo das Abendessen statt fand, war nur von einigen wenigen Gästen besucht: zwei Italiener, die mit einem Hund reisten und sich am Nachhauseweg befanden und noch einige Einheimische. Pasang, unser Guide, zeigte uns die Zimmer. Anschließend wählten wir unser Abendmahl. Ich war wirklich erschöpft und wollte nur noch schlafen, aber ich musste etwas essen, um für den nächsten Tag und die Wanderung fit zu sein. So bestellten wir uns alle ein Traditionsgericht, das sich “Dal Bhat” nannte (es kostete 3 Dollars, die Preise stiegen wohl mit dem Anstieg an Höhe des Ortes). “Dal” besteht aus gekochter Linsensuppe, und “Bhat” bedeutet gekochter Reis; es wird mit Gemüse und Kartoffeln serviert. Man darf so viel nachholen, wie man will. Der Tradition entsprechend isst man übrigens mit den Händen.
Nach dem Essen wollte ich endlich meine Familie kontaktieren, um sie zu benachrichtigen, dass ich heil angekommen war. Doch es gab keine Elektrizität im gesamten Dorf sowie kein verfügbares Internet. Ich befürchtete, dass das einer der Umstände werden würde, an den wir uns in der Folge unserer Reise gewöhnen müssten. Aufregung machte sich breit, dass wir am nächsten Tag die Wanderung beginnen sollten, und wir schliefen in jener Nacht sehr rasch ein.
Gute Nacht 🙂
Übersetzung Englisch-Deutsch: Anna D. Dichen
Der Reisebericht ist sehr interessant geschrieben und die Reise selbst ist sicher den Aufwand wert !
Vielen lieben Dank für das positive Feedback 🙂 Lg Isabel